Leben im Baumhaus – Die Kunst der Einfachheit

Das Leben im Baumhaus

Der Amerikaner Dave Herrle baut wunderschöne, verwunschene Wald- und Baumhäuser und lehrt uns die Kunst der Einfachheit. Das Leben im Baumhaus hat sein Leben komplett verändert…

Dave Herrle war 27 Jahre alt, als er sich entschloss, seinem bisherigen Leben den Rücken zu kehren. Nach seinem College-Abschluss hatte er einen Schreibtisch-Job angenommen und von da an hasste er jede Minute seines Arbeitstages. Dass dies nicht der Sinn des Lebens sein kann, wurde ihm jedoch ziemlich schnell klar, was Dave Herrle dazu veranlasste, den etwa 3.700 km langen Fernwanderweg durch die US-amerikanischen Appalachen innerhalb einer Saison zu durchwandern. Um einen klaren Kopf zu bekommen, um herauszufinden, welche Art zu leben ihn glücklicher machen könnte. Seine Zeit in den Wäldern verbrachte er nicht ganz allein.

In seinem Rucksack trug er das 1854 erschienene Buch »Walden oder Leben in den Wäldern« von H. D. Thoreau mit sich. In dem Klassiker beschreibt der amerikanische Naturalist und Philosoph sein Leben in einer Blockhütte, die er sich am Walden-See, auf dem Grundstück eines Freundes gebaut hatte. Seine einfache Botschaft lautet: Draußen wartet mehr auf uns. Eine Botschaft, die Herrle die Inspiration für sein zukünftiges Leben schenkte.

»Durch meine Zeit im Wald und Thoreaus Berichte veränderte ich meine Sicht auf die Dinge, denn ich lernte die Vorteile der Einfachheit kennen. Ich bin froh, dass mir das mit 27 und nicht mit 67 Jahren passiert ist.« Jung genug, alles über den Haufen zu werfen, um noch einmal ganz neu anzufangen. Aber auch alt genug, um die Rahmenbedingungen für dieses neue Leben aus eigenen Händen erschaffen zu können. So beschließt Dave Herrle, kaum ist er nach Hause zurückgekehrt, selbst in den Wald zu ziehen und damit zur Einfachheit zurückzukehren. Er absolviert eine Tischlerlehre und verspricht seiner Freundin an Silvester, ein Baumhaus auf ihrem Grundstück in den Wäldern von Westbrook (Maine) zu bauen.

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Das einfache Leben führt uns zum Wesen der Dinge

Am nächsten Morgen stehen sie auf und beginnen mit der Arbeit. In sechs Wochen ist das kleine, romantische Baumhaus vollendet, das Herrle ohne den Gebrauch von Elektrizität zusammengezimmert hat und für welches er gerade mal 4.000 Dollar ausgegeben hat. »Auf das Wesentliche reduziert« lautete sein Bau-Motto, das er auch zu seiner Lebensmaxime erklärt. »Dabei geht es nicht um Entbehrung, sondern um die Entdeckung des inneren Reichtums in der äußeren Beschränkung«, sagt Herrle, der mittlerweile mit Frau und Hund glücklich im Wald lebt. Seinen Heiratsantrag hat Dave während der Bauphase in einen Holzbalken geritzt und bekam noch am selben Tag ein glückliches und eindeutiges »Ja« zu hören.

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Herrle fragt sich im Nachhinein, ob er auch an seinem ehemaligen Schreibtisch so schnell darauf gekommen wäre, diesen Schritt zu wagen, ob er auch in seinem alten Leben begriffen hätte, was wirklich zählt im Leben. Er glaubt nein. »Das einfache Leben führt uns zum Wesen der Dinge und zu einer Begegnung mit uns selbst«, schreibt auch Thoreau, der erst in der Waldeinsamkeit und unter den wenig luxuriösen Lebensbedingungen zu einem erweiterten Verständnis seiner selbst gelangt ist.

»Den Reichtum eines Menschen kann man an den Dingen messen, die er entbehren kann, ohne seine gute Laune zu verlieren«, schreibt er. «Ich will lieber einen Kürbis, den ich für mich allein habe, als gedrängt auf Samtkissen sitzen. Wenn wir die Dinge haben, die zum Leben nötig sind, so gibt es noch andere Bestrebungen, als sich um das Überflüssige zu bemühen.« Genug bedeutet, genug zum Leben zu haben, genug um glücklich zu sein – zu dieser Einsicht gelangt auch Dave Herrle in seinem neuen Leben, in dem er sich auf das Wesentliche beschränkt. Denn auf 30 Quadratmetern Wohnfläche geht es ums Reduzieren, um die Lust am Wenigen. Sein Hobby ist zu seinem jetzigen Beruf geworden: Seit dem Einzug in sein eigenes Baumhaus baut Herrle kleine Wald- und Baumhäuser – die nach Kundenwünschen handgearbeiteten Objekte kosten etwa 5.000 Dollar und werden vorwiegend aus Altmaterialien hergestellt. Es ist der Zauber der Einfachheit, der den Charme dieser winzigen Waldrefugien ausmacht.

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Ohne Beziehung zur Natur geht uns die Erdung verloren

Keine Frage, unsere Beziehung zur Natur, der äußeren wie der inneren, ist uns in den Zwängen unserer Wohlstandsgesellschaft zunehmend abhandengekommen. Doch ohne Beziehung zur Natur geht uns die Erdung verloren, wir verlieren unsere Wurzeln aus den Augen, die wir andererseits immer dringender suchen. Die äußere und innere Natur wieder bewusst einander näher zu bringen, draußen wieder zu Hause zu sein und sich auch selber als Teil der Natur zu begreifen, das war letztendlich die Vision oder der Traum hinter dem Walden-Experiment, wie Thoreau seine Zeit im Wald nennt.

Thoreau beendete sein Experiment nach gut zwei Jahren und zog in die Stadt zurück. Dave Herrle jedoch bleibt im Wald. »Es ist die Stille der Natur, nach der sich immer mehr Menschen sehnen«, sagt er. »Mit der Stille kehren Ruhe und Langsamkeit wieder ein, die Spirale von Hektik und Stress wird ausgebremst und mit der Gelassenheit der Natur kommt dauerhafte Lebensfreude auf.« Dave Herrle freut sich auf jeden neuen Tag, den er im Wald verlebt. Und er lässt nicht einen verstreichen, ohne sich Zeit zu nehmen mit Frau und Hund auf der Veranda zu sitzen und das Wunder der Natur zu genießen. »Wann immer wir einen Vogel hören, sind wir jung, und es ist Frühling. Wo wir auf ihn lauschen, ist eine neue Welt, ein freies Land, und die Pforten des Himmels stehen uns offen“, zitiert Herrle aus seinem Lieblingsbuch »Walden«. »Der genießt wahre Muße, der Zeit hat, den Zustand seiner Seele zu fördern.«

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WALDEN – Ein Leben in der Natur
Das Buch Walden von Henry David Thoreau gilt als die Bibel der alternativen, naturnahen Lebensweise. In dem tagebuchartigen Buch beschreibt Thoreau sein Leben in einer Blockhütte, die er sich 1845 in den Wäldern Massachusetts selber gebaut hat. Perfekt für alle, die mit dem Gedanken spielen, dem Alltag den Rücken zu kehren. dtv Verlag9,90 Euro

DER FILM – Into the Wild
Der Film von Sean Penn basiert auf einer gleichnamigen Reportage und zeigt das Leben von Christopher McCandless – ein Student, der allem materiellen Besitz abschwört und stattdessen mutterseelenallein in der Wildnis Alaskas ums nackte Überleben kämpft. Ab 2,79 Euro über rebuy.de zu beziehen.

ÜBERNACHTUNG – Robins Nest
Wer immer schon mal hoch in den Lüften übernachten wollte, dürfte in Robins Nest genau richtig aufgeboben sein – das in Hessens Wäldern gelegene Baumhaus-Hotel legt großen Wert auf Nachhaltigkeit und verfügt über insgesamt fünf Baumhäuser – darunter ein Kork-Baumhaus, eine »schwebende« Baumhauskugel sowie ein Stelzen-Baumhaus. Mit im Angebot: Waldbar, Lagerfeuer-Romantik, Stockbrot und Wanderungen zum verwunschenen und ganz in der Nähe gelegenen Schloss Berlepsch. Übernachtungen in Robins Nest kosten ab ca. 150 Euro pro Nacht (max. 4 Personen).

Fotos: The Lilypad Agency, Sarah Grote Photography

 

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