Vor einigen Wochen sind wir im Rahmen der »Grünen Woche« des Stanglwirts in Kooperation mit dem WWF Österreich mit Sarah Wiener und Ave Annema auf Kräuterwanderung gegangen. Warum wir in der Küche viel wilder sein dürfen, welches Kräuter-Wissen Sarah Wiener und Ave mit uns teilten und wie köstlich Wildkräuter schmecken, möchte ich euch heute erzählen.
Der Nieselregen legt sich wie ein sanfter Schleier auf unsere Gesichter, während wir gemütlich die Berge hinauf schlendern. So fein, dass wir ihn fast nicht sehen können. Wie oft geht es uns auch mit wundervollen, aufregenden, leckeren Dingen – direkt vor unseren Füßen. Das Wilde so nah, ohne das wir ihm Beachtung schenken. »Wir sind lebendig und leben vom Lebendigen!«, sagt mir Sarah Wiener, so selbstverständlich, als ob nie ein Mensch anders gelebt hätte. Wie recht sie hat! Von der Hand, direkt in dem Mund. Oder von der Hand, ins Körbchen auf den Teller. Auch wenn ich oft auf dem Markt einkaufe und darauf achte, dass Produkte regional sind, so bin ich doch die allermeiste Zeit nicht für die Mission »Abendessen« mit Wanderstiefeln unterwegs. Umso mehr freue ich mich an diesem regnerischen Tag, gemeinsam mit Roman und Fenja und anderen, interessierten Gästen aus dem Bio-Hotel auf kräuterige Wanderschaft zu gehen.
Wilde Kräuterwanderung – mehr Bio geht nicht!
Wir halten zuerst an einem kleinen, moosigen Hügel. Ich fühle mich ziemlich naturverbunden, weil ich den Klee vor mir direkt erkenne. »Das ist Sauerklee!“, erklärt uns Ave, die all ihr Kräuterwissen über viele Generationen hinweg von ihrer Mutter und Großmutter sowie im Kräuterstudium lernte. Zaghaft pflücke ich ein feines, blättriges Stänglein ab und verziehe nach dem dritten Bissen kräftig das Gesicht. WOW – sauer! Als ich mich umdrehe, sieht Fenjas Gesicht nicht weniger überrascht aus. Der kleine Klee hat ganz schön Wumms. Und macht sich perfekt im Salat oder als i-Tüpfelchen auf frischer Pasta. »Im Grunde genommen kannst du überall Kräuter sammeln. Nur gespritzte Flächen, viel befahrene Straßen oder Hundeauslaufflächen sind keine Orte zum Sammeln«, verrät uns Sarah Wiener.
Kräuter in der Küche – Wohlgenuss und Heilkraft in einem
Nächster Stopp: Brennnessel. »Ich pflücke Brennnessel mittlerweile einfach per Hand. Die Stiche sind ein super Training für unser Immunsystem«, lacht Sarah Wiener und eifert mit beiden Händen in dem Strauch vor uns herum. Blanchiert schmecken die Blätter besser als Spinat und sind neben ihrem hohen Eisengehalt auch ein super Lieferant für Eiweiß. Mein Highlight: die Brennnessel-Samen. Sie haben ein leicht nussiges Aroma und lassen sich, kurz angeröstet ohne Öl in der Pfanne, perfekt als Butterbrot-Kick oder Müsli-Topping verwenden. Während ich an meiner kleinen Handvoll Brennnessel-Samen knabbere, höre ich ein leises »Autsch!« hinter mir. Fenja hat sich verbrannt. »Da hab ich was für dich«, beruhigt sie Ave und zerreibt ein Blatt Spitzwegerich auf ihrer Hand. Gesund und munter lernen wir danach Giersch kennen. Als Tee oder Suppe wirkt er entzündungshemmend und ist ein sehr wirksames Mittel bei Rheuma. Oder abgeriebene Weidenrinde – der Vorreiter von Aspirin, denn die enthaltene Acetylsalicylsäure, kurz ACS, wirkt, getrocknet und als Tee aufgekocht, schmerzlindernd.
Bitte mehr Bitterstoffe!
Wir essen alle viel zu wenig bitter, viel zu wenig sauer und herb. Doch diese Geschmäcke stehen für die Ursprünglichkeit der Pflanzen. »Es lohnt sich, in Wäldern und auf Wiesen nach Kräutern zu suchen: Sie schmecken gut, sie haben viel mehr Inhaltstoffe als alles Gezüchtete und sie sind umsonst«, erklärt uns Sarah Wiener. Die sogenannten in Wildkräuter enthaltenen Salvestrole schützen unser Immunsystem. Die Bitterstoffe in einer Pflanze sind ein guter Indikator für einen hohen Salvestrol-Wert. Doch in den letzten 50 Jahren wurden die Bitterstoffe in der industriellen Landwirtschaft weggezüchtet, da wir eher an »süßeres« Gemüse und Kräuter gewöhnt wurden. Heute sind diese wichtigen Wirkstoffe aus den meisten konventionellen Küchen-Kräutern herausgezüchtet
Zu Tisch mit Sarah Wiener und den selbstgepflückten Kräutern
Um die Kräuter für Salat, Risotto & Co. auch frisch in die heimische Küche zu bringen, gibt Sarah Wiener uns noch einen guten Tipp: » Ganz wichtig ist kein Plastik zu benutzen. Luftig in einen Korb legen, damit die Kräuter atmen können. Eventuell noch ein feuchtes Tuch darüber packen.« Den hatten wir bei unserer Wanderung vor lauter Regenschauer und Aufbruch-Stimmung leider vergessen. Als wir nach 2,5 Stunden von unserer Wanderung zu Füßen des Wilden Kaisers in die warme Kaminestube im Stanglwirt kommen und ein frisches Kaiserquellwasser mit wildem Thymiansyrup trinken, da macht mein Magen vor Hunger und Vorfreude einen kleinen Sprung. Ich finde unseren gesammelten Sauerklee im wirklich vorzüglichen Wildkräuter-Salat mit Chili-Camembert von der Stangl Alm. Danach ein Risotto mit Brennnessel. Herrlich! »Egal, ob Pflanze, Mensch oder Tier. Wir kommen alle aus der gleichen Erde! Die Natur ist heilend und macht einem klar, dass man sie erhalten will«, so Sarah. Während dieser Worte lasse ich mir gerade mein Panna Cotta mit wilder Zitronenmelisse und Schafgabe im Mund zergehen. Oh, wie schön ist Österreich! Und was für ein Geschenk, dass wir auf dieser wissensreichen, wilden Kräuterwanderung sein durften, um noch mehr über die Schätze unserer Erde zu lernen.
Fotos: Roman Dachsel, Stanglwirt/Hirnsberger
Ihr möchtet noch mehr über das Bio-Hotel Stanglwirt erfahren? Dann geht es hier zu unserem Artikel: Stanglwirt – Nachhaltiges Bio Hotel und Luxusresort
Ihr sucht noch nachhaltiges Equipment für eure Wanderung? Dann geht es hier zu unserem Artikel: Nachhaltig wandern – Nachhaltige Outdoor-Accessoires