Magdalena Schaffrin – Geht Fair Fashion auch mit wenig Geld?

Fair Fashion: Magdalena Schaffrin – Geht Fair Fashion auch mit wenig Geld?

Grün, grün, grün sind alle ihre beruflichen Tätigkeitsfelder: Magdalena Schaffrin ist Modedesignerin, Gründerin der grünen Luxusmodemesse Greenshowroom und Creative Director der Ethical Fashion Show Berlin. Zudem ist sie Co-Autorin des im Prestel Verlag erschienenem Buches »Fashion Made Fair«. Grund genug, ihr ein paar Fragen über nachhaltige Mode zu stellen.

Seit einigen Jahren ist immer häufiger von nachhaltiger Mode die Rede – aber wie genau definiert sich nachhaltige Mode eigentlich?
Grob unterteile ich in der Regel in drei Eckpfeiler – in ökologische und soziale Aspekte und in Transparenz. Das Thema Nachhaltigkeit beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Lieferkette, sondern auf den ganzen Produktzyklus, also auch auf den Verkauf, das Design, auf die Nutzung (wie oft ich trage und wasche ich meine Kleidung, wie pflege und entsorge ich sie etc).

Was ist der Unterschied zwischen Upcycling, Slow, Fair und Eco Fashion? 
Eco, Fair und Slow Fashion meinen eigentlich immer das Gleiche. Und zwar Mode, die unter ethischen Gesichtspunkten hergestellt wurde und sich mindestens in einem Aspekt mit dem Nachhaltigkeitsthema auseinander setzt. Die verschiedenen Begriffe nehmen eigentlich einzelne Aspekte heraus. Slow Fashion ist der Gegenbegriff zur Fast Fashion, also zu Mode, die nicht so schnell, sondern bewusster konsumiert wird. Fair Fashion zielt auf die fairen Arbeitsbedingungen ab, also dass die Mode fair produziert wurde. Das beinhaltet auch die Rohstoffe und die ganze Herstellungskette. Bei Eco Fashion liegt der Fokus auf eine umweltfreundliche Produktion. Upcycling Fashion wiederum bezeichnet ganz konkret Mode, die aus bestehenden Materialien hergestellt wurde also aus Materialien, die normalerweise in den Müll landen würden. Upcycling ist also eine Wertsteigerung durch Design.

 

Stichwort Siegel und Zertifikate – leider sorgen diese bei vielen Konsumenten ja eher für Verwirrung. Auf welche Textilsiegel ist Verlass?
Grundsätzlich macht es Sinn, einen Blick ins Innenetikett zu werfen und überhaupt erst einmal zu schauen, wo und aus welchem Material das Kleidungsstück herstellt wurde. Wenn man dort beispielsweise etwas von Biobaumwolle liest, dann ist das auf jeden Fall schon mal besser als konventionelle Baumwolle. Der nächste Schritt sind die unabhängigen Siegel, denen man vertrauen kann. Beispielsweise das GOTS-Zertifikat, das Fairtrade-Zertifikat (im Lebensmittelbereich sehr verbreitet), sowie Bluesign und das Zeichen der Fairwear Foundation. Dann gibt es noch Made in Green, das ganz neu von Oeko-Tex herausgegeben wurde. Am meisten verbreitet ist der Standard 100 by Oeko-Tex, das allerdings nur besagt, dass das das fertige Produkt selbst schadstofffrei ist, was aber wiederum nichts über die Lieferkette aussagt. Eigentlich absurd, dass es dafür überhaupt ein extra Siegel gibt, weil es ja selbstverständlich sein sollte, dass unsere Textilien frei von Chemikalien sind. Label-online.de und getchanged.net. sind zwei Seiten, auf denen man sich einen guten Überblick in Sachen Siegel verschaffen kann.

Ist der Großteil der Konsumenten in den vergangenen zehn Jahren eher kritischer oder – im Gegenteil – konsumfreudiger und gieriger geworden? Was ist dein Eindruck?
Wir sind viel gieriger geworden. Leider. Das belegen ja auch zahlreiche Studien und vor allem die Umsatzahlen in der Textilbranche, die in den vergangenen zehn Jahren massiv gestiegen sind. Die sprechen leider für sich. Wir kaufen deutlich mehr, als noch vor zehn Jahren und tragen die Kleidung weniger lang. Und das ist natürlich genau die falsche Entwicklung.

Ist nachhaltige Mode nicht automatisch viel teurer als herkömmliche?
Ja und nein. Vom Prinzip her muss sie natürlich teurer sein, da entlang der Lieferkette faire Löhne gezahlt werden. Ökologische Mode muss aber nicht exorbitant teurer sein.

Was kann ich tun, wenn ich nur wenig Geld zur Verfügung habe, aber dennoch Wert auf nachhaltig und fair produzierte Textilien lege?  Gibt es ein paar einfache Tricks?
Weniger und dafür besser konsumieren. Lieblingsteile kaufen und für diese mehr Geld ausgeben, dafür aber auch länger was davon haben. Die Kleidung besser pflegen. Und natürlich auch Second Hand kaufen oder Kleidung mit Freunden tauschen – eine günstige Alternative zu Neukäufen.

Was hältst du persönlich davon, wenn große Textilkonzerne wie H&M, Nike und Co einen Teil ihrer Produktion umstellen und beispielsweise Recycling-Kollektionen herausbringen? Ist das eher gut oder schlecht?
Ich finde ja: Jeder Schritt in die richtige Richtung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Gerade wenn sich die großen Player für Fair Fashion interessieren, macht das einen Unterschied am Ende der Lieferkette. Wenn ein großer Konzern wie H&M Produkte aus Biobaumwolle ins Sortiment einführt, dann hat das einen viel größeren Impact auf viel mehr Biobaumwollbauern in Indien oder in der Türkei, als wenn das ein kleines Label tut. Insofern ist es wichtig, die Großen mitzunehmen, damit man eben auch die Masse erreicht mit dem Thema.

Welche Maßnahmen müsste die Politik ergreifen, um eine transparentere, ökologischere und sozialere Unternehmenskultur zu fördern?
Es stellt sich ja immer die Frage nach der Verantwortung. Liegt die bei den Konsumenten, bei den Firmen oder bei der Politik? Ich glaube, jeder trägt die Verantwortung, die Arbeitsbedingungen und ökologischen Bedingungen in den Lieferketten zu verbessern. Die Politik muss die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Die Verantwortung von Unternehmen ist es, die Lieferkette kennenzulernen, also selber Transparenz über die eigene Lieferkette zu erlangen und diese dann auch nach sozialen und ökologischen Kriterien kontrollieren. Und die Aufgabe des Konsumenten ist es, kritischer zu konsumieren. Zu hinterfragen: Who made my clothes?

Ich habe ja den Verdacht, dass viele Leute gerne nachhaltig und fair produzierte Mode einkaufen würden, aber gar nicht wissen, wo sie  gucken sollen und fündig werden. Wo kann man sich am besten informieren?
Die beiden Seiten getchanged.net und kirstenbrodde.de sind super Plattformen, auf den man Listen von Shops und grünen Labels sowie zahlreiche Hintergrundinformationen findet.

Deine Prognose: Wie werden wir uns wohl in zwanzig Jahren kleiden?
Meine Hoffnung ist ja, dass wir nicht mehr über Fair oder Slow Fashion reden, sondern dass wir über Mode reden. Und was ich auf jeden Fall sehe, ist, dass die Kleidung in 20 Jahren wieder teurer sein wird, weil die Rohstoffe teuer werden. Das gibt mir Hoffnung. Denn wenn die Mode teurer wird, wird sie vielleicht auch wieder qualitativ wertvoller.

 

 

 


 

Mit ihrem im Prestel Verlag erschienen Buch »Fashion Made Fair« ist Magdalena Schaffrin, Modedesignerin, Mitbegründerin des Berliner Greenshowrooms und Schlüsselfigur der deutschen Green Fashion-Szene und Ellen Köhrer, Journalistin & Bloggerin (Grün ist das neue Schwarz) ein Geniestreich gelungen: Sie porträtieren 33 internationale Fair Fashion Labels, unter anderem Designer wie Christopher Raeburn, Vivienne Westwood oder Elsien Gringhuis. Zudem haben die beiden Autorinnen mit sechs Branchenexperten, darunter Michael Braungart, Bruno Pieters und Marie-Claire Daveu vom französischen Luxuskonzern Kering Group über neue, innovative Denkansätze gesprochen und somit eine (längst überfällige) Fair Fashion-Bibel auf den Markt gebracht. Die Idee zu einem gemeinsamen Buch kam den beiden übrigens während eines Spazierganges durch Berlin. »Fashion Made Fair« ist das ideale Buch für alle, die sich nicht nur einen Überblick über die weltweit coolsten und innovativsten nachhaltigen Modelabels verschaffen möchten, sondern gleichzeitig auch tiefer in die Materie einsteigen möchten und mehr über alternative Zukunfsmaterialien oder intelligente Werkstoffkreisläufe erfahren möchten. Spätestens nach dieser Lektüre wird klar, dass Fair Fashion alles andere als piefig, sondern im Gegenteil, ganz weit vorne ist.

Fotos: PR, Esteve Franquesa Parareda

 

Und hier geht’s zu unserem Siegel-Guide für nachhaltige Textilien!

 

 

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