Yoga-Profi Lucie Beyer – Eine Hommage an den Handstand

Acroyoga mit Lucie Beyer

Die Berliner Yoga- & Acro-Yogalehrerin Lucie Beyer verrät uns, warum ein Handstand nicht nur unsere Sichtweise – im wahrsten Sinne des Wortes – auf den Kopf stellt und uns hilft, alte Gedankenmuster wie »Das kann ich nicht« abzulegen und warum ihre Schüler die besten Lehrer sind.

In meinen Yoga-Handstand­-Workshops erlebe ich häufig sehr interessante Reaktionen der Teilnehmer. Eine gängige Reaktion während einer Demonstration ist beispielsweise der Ausruf: »Bei dir sieht das so einfach aus!« Das stimmt wohl – aber ich habe ihn ja auch schon sehr oft praktiziert. Und auch für mich war er zunächst eine Herausforderung. Am Anfang hatte ich Angst, bin umgefallen und wusste nicht, wie ich in meiner Handstand­-Praxis auf einen grünen Zweig kommen sollte. Eine weitere, jedoch eher seltene Reaktion ist, dass manche Kursteilnehmer glauben, ich zeige etwas nur, um »anzugeben«. Das ist natürlich Unsinn. Ich zeige Übungen nur, um die Bewegungsabläufe zu demonstrieren und verständlich zu machen. Ich war zu Beginn sogar extrem unsicher, wenn ich einen Handstand vor einer Gruppe gezeigt habe und diese Unsicherheit hat sich dann natürlich auch auf meine Praxis übertragen…

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Bei Yoga geht es um das (Er-)lernen und nicht um Perfektion

Da Handstände meine Leidenschaft sind, habe ich lernen müssen, selbstsicher in meinen Handstand­-Demonstration zu werden. Hier waren meine Schüler also eine wunderbare Einladung, zu wachsen und gegen meine Unsicherheiten anzugehen. Sehr hilfreich war ein Mantra, das ich mir vor jedem Handstand, den ich frei im Raum zeigen wollte, eingetrichtert habe: »Ich kann Handstand!« Ein solches Mindsetting ist natürlich wesentlich kraftgebender, als ein Satz wie: »Oh nein, jetzt muss ich einen Handstand zeigen, hoffentlich klappt es!« Oft ist es sogar ein positives Erlebnis für die Zuschauer, wenn der Lehrer mal eine nicht ganz perfekte Übung zeigt. Schon aus dem Grund, um daran zu erinnern, dass wir Yoga-Lehrer auch nur Menschen sind und keine Maschinen. Es geht ja um das (Er)Lernen und nicht um Perfektion, denn letztere findet im Handstand (zumindest subjektiv empfunden) sowieso niemals ein Ende.

Der Handstand hilft dabei, alte Gedankenmuster wie »Das kann ich nicht« abzulegen

In diesem Sinne sind meine Yoga-Schüler meine besten Lehrer. Sie erinnern mich daran, dass ich immer Anfänger bleibe. Sobald man lernt, sicher auf zwei Händen zu stehen, möchte man es auf einer Hand tun oder andere interessante Figuren im Handstand ausprobieren. Es gibt immer was zu lernen! Außerdem ist es wichtig, jeden noch so kleinen Erfolg zu würdigen und nicht durchgehend nach dem nächsten Stern zu greifen. Es stellt sich vielleicht die Frage: Warum machen wir überhaupt Handstand?
Klingt merkwürdig, aber der Handstand ist derzeit weltweit im Trend. Um diesen zu erklären, gibt es viele mögliche Antworten. Neben den zahlreichen physischen Benefits, liegt der Trend wohl auch darin begründet, dass der Mensch grundsätzlich nach Perfektion strebt. Und dann gibt es noch die etwas tiefer, im Verborgen liegenden Motivationen, die mir ich bei mir selbst und meinen Schülern beobachte. So geht es meistens gar nicht primär darum, eine Technik zu erlernen, sondern vielmehr darum, sich stark genug zu fühlen, sich selbst auf den Händen tragen zu können. Oder einfach seinen Körper als »eigenes Königreich« zu erobern und alte Gedankenmuster wie »Das kann ich nicht« oder »Ich bin zu schwer, zu schwach, zu unflexibel« (…) gegen neue, positive auszutauschen.

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Bewegung ist ein Grundbedürfnis des Menschen 

Der Handstand lädt uns dazu ein, noch einmal neu gehen zu lernen, nur dieses Mal auf den Händen. Und so wie wir dies als Kleinkinder auf den Füßen tun, gilt es auch hier, einen Schritt vor den anderen zu setzen, zwischendurch zu fallen und immer wieder enthusiastisch aufzustehen. Letztendlich läuft es immer auf Dasselbe hinaus: Wir machen Handstand, weil es uns Freude macht! Würde man Kinder fragen, warum sie sich bewegen, würden sie uns wohl nur mit großen, fragenden Augen anschauen. Sie bewegen sich, weil ihr Körper es ihnen diktiert – aus einer natürlichen Bewegungsfreude heraus. Ich glaube ganz fest daran, dass Bewegung ein Grundbedürfnis des Menschen ist. Im Optimalfall wächst die Handstandpraxis genau aus der Lust, etwas Neues auszuprobieren und über sich selbst hinaus zu wachsen, statt einen zusätzlichen Punkt auf der To-­do­-Liste darzustellen.

In diesem Sinne möchte ich mich von Herzen bei meinen wundervollen Schülern bedanken. Denn auch was die Bewegungsfreude angeht, sind sie die beste Inspiration. Der Glanz in ihren Augen nach jedem Aha-Moment ist mein Energieausgleich und die Atmosphäre im Raum während eines Workshops die beste Motivation für mich, zu Hause gleich eine eigene Trainingseinheit einzulegen. Drehe auch Du Deine Welt »up­-side­-down«!

Aufgepasst: Der nächste Handstand-Workshop mit Lucie findet am 3. November in Hamburg statt. Weitere Informationen zur Veranstaltung findet ihr hier!

 

Fotos: Pauline WillrodtDarcy Muenchrath

Und hier erklärt euch Lucie, warum Kinderyoga nicht nur eine gesunde Entwicklung des Körpers, sondern auch die Psyche fördert.