Schon mal von Drüwken, Goldparmäne oder Gewürzluiken gehört? Oder sogar probiert? Das sind alles alte Apfelsorten. Mehr als 3.000 gibt es – konsumiert und versaftet wird nur eine Handvoll. Wir haben vor einigen Wochen den Bio-Safthersteller Voelkel im Wendland besucht und ausgiebig mit Geschäftsführer und Gründerenkel Stefan Voelkel geschnackt. Während einer ausgedehnten Tour über den Höhbeck haben wir all unsere Fragen rund um süße Äpfel, samenfestes Saatgut, Streuobstwiesen und Biodiversität gestellt.
Knorrige Borken, buschige Kronen, ein Baum schöner als der andere. Wir stehen zusammen mit Stefan Voelkel in einem riesigen Garten, neben alten, windschiefen Häusern, ein wenig abschüssig ist die Wiese. Eine Streuobstwiese mit Geschichte. Es ist der Garten von Margret und Karl Voelkel, die im Jahr 1929 genau hier siedelten, auf der Suche nach einem naturnahen, selbständigen, glücklichen Leben. Neben uns steht der Enkel und heutige Geschäftsführer Stefan Voelkel. Sein Blick streift über die Bäume, die er schon seit Kindertagen kennt, während wir uns gemeinsam austauschen.
Eine Streuobstwiese ist ein bisschen wie ein Mehrgenerationen-Haus und eine echt gut besuchte Party in einem: Bäume unterschiedlichen Charakters, unterschiedlicher Sorten, unterschiedlicher Höhe und unterschiedlichen Alters zusammen in Frieden an einem Ort. Mit Platz für natürliches Wachstum – nicht nur für die Bäume selbst, sondern auch für andere Insekten, Pflanzen, Lebewesen. Streuobstwiesen heißen Streuobstwiesen, da die Bäume verstreut stehen. Einleuchtend. Doch diese wilden Wuchsgebiete stehen heute vor allem für eines: Naturschutz, Landschutz und ebenso Kulturgut.
Voelkel, die Streuobstwiesen und alte Apfelsorten
Vor dem zweiten Weltkrieg gab es in Deutschland viele alte Bäume und zahlreich blühende Streuobstwiesen: Äpfel, Birnen, Zwetschgen oder Kirschen. Zwar fielen dem Krieg einige Bäume zum Opfer – ihr wahrer Feind waren allerdings vielerorts angelegte Massenrodungen in den 50er bis 70er Jahren. Rodungen zugunsten von Monokulturanbau und Spalierobst-Plantagen. Bei uns betrifft das vor allem eines: Den Apfel. Des Deutschen liebstes Obst. Ob geschnitten, eingekocht oder entsaftet.
»Weltweit gibt es ca. 3.000 Apfelsorten. Ganz unterschiedliche Sorten, die eben nicht auf Menge gezüchtet worden sind, sondern auf Süße, Säure, Charakter, Erntezeitpunkt, Bodenqualität, regional auftretende Schädlinge usw.«, erklärt uns Stefan Voelkel im persönlichen Gespräch während unserer gemeinsamen Zeit rund um das Voelkel Gelände. In Baden-Württemberg findest du eigentlich andere Äpfel als in Niedersachen und das Berliner Umland bietet andere Köstlichkeiten als die Obstwiesen im Saarland. Doch durch die Vorherrschaft des Supermarktes in der Nachkriegszeit und den dadurch entstandenen Anspruch an perfekt geformtes Obst und Gemüse mussten immer mehr Sorten und Streuobstwiesen weichen. »Im Supermarkt und in der industriellen Saftproduktion werden gerade einmal ein Bruchteil an Sorten verwendet und angeboten«, so Stefan Voelkel.
Die Streuobstwiese ist die traditionellste Form der bio-dynamischen Landwirtschaft. Der Demeter-Pionier Voelkel bezieht für seine super leckeren Säfte auch Obst aus der Ernte von Streuobstwiesen aus dem fein abgestimmte Bio-Säfte werden, die regelmäßig unseren Redaktionsalltag noch ein bisschen süßer machen.
»Der Erhalt und die Gründung neuer Streuobstwiesen ist extrem wichtig, daher habe ich bereits vor zwanzig Jahren die Gründung des Bio-Streuobstvereins Elbtal e.V. initiiert. Wir benötigen sie nicht nur zum Erhalt seltener Sorten, sondern auch als natürlichen Lebensraum für Insekten und Vögel«, teilt Stefan Voelkel mit uns. Mehr als 100 Mitglieder sind heute schon dabei, die gemeinsam über 60 Tonnen Obst ernten. Denn neben Obst, das in Ruhe und in natürlicher Umgebung bis zu einem unfassbar leckeren Aroma reifen darf, fördert die bio-dynamische Erhaltung der Streuobstwiesen auch proaktiv den Artenschutz und die Biodiversität.
Samenfestes Saatgut? Warum wir es unbedingt brauchen
Was den Erhalt der Biodiversität ebenso stärkt, ist die Verwendung von widerstands- und vermehrungsfähigem Saatgut. Auch dieses Thema liegt Stefan Voelkel sehr am Herzen. Denn Saatgut ist Kulturgut. Warum wollen wir wissen. Die ökologischen Zauberworte? Samenfestes Saatgut. Das bedeutet, dass aus den Samen einer bestimmten Pflanzen einfach wieder neue Baby-Pflanzen entstehen können aus denen wiederum wieder neue Pflanzen entstehen. Ein kunterbuntes Erbgut. Eigentlich der natürliche Kreislauf. Doch in der konventionellen und teilweise auch biologischen Landwirtschaft wird dieser natürliche Kreislauf aufgrund von profitorientiertem Interesse oft nicht genutzt. Über die Jahrzehnte wurde immer mehr hybrides Saatgut entwickelt. Hybride Pflanzen haben eine hohe Uniformität – jede Pflanze sieht gleich aus, reift zur gleichen Zeit, besitzt die gleiche Größe und Form. Praktisch, mag man vielleicht denken, da besser gedüngt, beschnitten, geerntet werden kann. Das Fatale? Hybrides Saatgut ist bereits nach der ersten Generation nicht mehr vermehrungsfähig. Genormte Pflanzen, die sich nach einer Erntesaison nicht weiter vermehren können? Das klingt alles andere als nach ursprünglicher Natur.
»Hybrid-Sorten sollen in der industriellen Landwirtschaft vor allem eines fördern: Ertrag, Wachstum und Homogenität. Hybride Samen sind nicht vermehrungsfähig. Das Patent ist dadurch eingezüchtet und weltweit sind Landwirte in Abhängigkeiten von wenigen großen Konzernen, von welchen sie Jahr für Jahr Dünger, Saatgut und Pestizide kaufen«, erklärt uns Stefan Voelkel und wir spüren, wie wichtig ihm dieses Thema ist.
Über 90% des weltweiten hybriden Saatguts stammt von den Großkonzernen Beiersdorf und Monsanto. Ein einseitiges Geschäft. Von dem weder Landwirte noch die Natur profitiert. Denn wie schon gesagt: Samengut ist Kulturgut! Es spiegelt die Natur der jeweiligen Region wieder, garantiert Diversität und sagt den monopolartigen Landwirtschaftskonzernen den Kampf an.
Voelkel bezieht sein Gemüse zu 100% von samenfesten Pflanzen. »Neben dem Kauf von samenfestem Gemüse setzen wir unseren Partner*innen gegenüber, mit denen wir oftmals schon seit Jahren zusammenarbeiten, auch auf Verlässlichkeit. Das heißt, wir garantieren nicht nur höhere Preise, sondern wir unterstützen unsere Landwirte dahingehend, dass wir zum Beispiel im Fall von Problemen bei der Umstellung auf samenfeste Pflanzen einen Preis zahlen, der über dem des aktuellen Marktpreises liegt«, so Stefan Voelkel. Auch das ist Naturschutz – die Menschen empowern, die sorgsam und achtsam mit Mama Erde umgehen. Apfel-Herzchen in unseren Augen!
Gibt es hier kein Aber? Ein kleines. »Wir betrachten immer die gesamte öko-soziale Bilanz unseres Handels. Wir kaufen den Großteil unserer Äpfel frisch aus der Ernte, teils von zertifizierten Streuobstflächen. Teils aber auch aus biologischen Spalierobstanlagen. Allerdings handelt es sich hier um Ware, die nicht in den Verkauf käme. Denn jene Äpfel mit optischen Mängeln kommen sonst oft in die Tonne«, erklärt uns Stefan Voelkel.
Voelkel ist mit über 40% der Hersteller mit dem höchsten Demeter Anteil in Deutschland. Das hat seinen Preis. Was wir mehr als vertretbar finden, denn die Natur, die Biodiverstität und gesunde Böden sind für den Lebenserhalt uns aller einfach unbezahlbar! Zudem finden wir auch den Geschmack der Säfte unschlagbar. Er erinnert an den frisch gemosteten Saft von Oma, an laue Sommerabende und den süßen, frischen Duft der Apfelbäume in der Nase.
Das weiß auch Stefan Voelkel. Nach der Frage, welche denn seine liebste Apfelsorte sei, vergibt er fair gleich zwei erste Plätze: »Meine liebste alte Apfelsorte ist die hier im Wendland vorkommende Goldparmäne. Das ist eine uralte Sorte, die viel Sonne mag. Davon haben wir hier sehr viel. Ich bin aber auch ein Freund des bekannten Boskop. Der hat diese schöne Säure und ist einfach schön charakterstark und frisch.«
Danke Stefan, dass ihr Altes beschützt und Gutes bewahrt. Und danke dafür, dass wir so einen umfassenden, authentischen Einblick in euer Tun bekommen durften. Vom Mehrgenerationenbetrieb gemeinsam mit deinen Söhnen, über den Erhalt der Streuobstwiesen und den Einsatz für samenfestes Saatgut.
Fotos: Julia Stübner
Viel weniger verstreut sind wir, wenn wir uns keine Sorgen um unser täglich Brot mit Apfel hinterher machen müssen. Dieser Artikel ist im Zuge des super informativen und einmaligen Besuches bei Voelkel im wunderschönen Wendland in Kooperation entstanden. Danke für euer Vertrauen, den Austausch, den tollen Tag und die schöne Zusammenarbeit.
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