Shades of Love – Sonnenbrillen für den Himalaya

Eco Lifestyle und nachhaltig leben: Inspiration: Shades of Love mit Jürgen Altmann
Mit seinem 2009 gegründeten Shades of Love – The Himalayan Eyewear Project sammelt der Münchner Café-Betreiber Jürgen Altmann Sonnenbrillen und verteilt diese an die Bewohner der nordindischen Himalaya-Region Ladakh. Ladakh ist eine wüstenähnliche Hochebene, in der die Menschen auf einer Höhe zwischen 3500 und 5000 m ganzjährig intensiver Sonneneinstrahlung und damit den schädlichen UV-Strahlen ausgeliefert sind. Wer dieser Höhensonne mit bloßem, ungeschütztem Auge ausgesetzt ist, riskiert gefährliche Augenverletzungen und Linsentrübungen, wenn nicht gar Erblindungen. 80 Prozent der dort lebenden Bevölkerung leidet an Augeninfektionen. Seit einigen Jahren ist der Münchner Jürgen Altmann nicht nur in der Region Ladakh, sondern auch in Nepal aktiv. Wir sprachen persönlich mit dem Gründer über seine ungewöhnliche Charity Initiative Shades of Love, sowie über die Menschen und die aktuellen Lebensumstände in der Himalaya-Region.

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Den Grundstein deines Charity Projektes Shades of Love legte ein Motorradtrip durch die Himalaya-Region. Magst du kurz erzählen, wie alles begann?
2004 habe ich mir eine Auszeit von meinem damaligen Job genommen und bin zum ersten Mal nach Ladakh gereist. Mit einem Motorrad bin ich in entlegene Bergdörfer gefahren und habe für eine Kinderorganisation Spielzeug und Bekleidung an bedürftige Kinder verteilt. Weil mich die Begegnungen mit den Menschen dort so berührt haben, bin ich die Jahre darauf immer wieder in diese Region geflogen. Dort habe ich dann unter anderem auch zum ersten Mal bei einem Augencamp mitgeholfen und gemerkt, dass dieses für uns simple und überall zu erstehende Gut Sonnenbrille dort quasi nicht existiert, obwohl es gerade für diese Menschen kein schickes Lifestyle-Accessoire ist, sondern eine lebenswichtige Ausstattung. Also habe ich nach meiner Rückreise kurzerhand eine Sammelaktion in meinem Café (Anmerkung der Redaktion: die liebevoll eingerichtete Aroma Kaffeebar im hippen Münchner Glockenbachviertel) gestartet und Optiker um Unterstützung gebeten. 2009 bin ich dann mit rund 300 Brillen im Gepäck nach Ladakh geflogen, habe mir vor Ort ein Motorrad gekauft (das seitdem dort steht, und bei jedem Besuch auf mich wartet) und bin damit in die Bergdörfer gefahren. Ich habe die gesammelten Brillen verteilt und – als Referenz für die Optiker – Fotos von den glücklichen, neuen Brillenbesitzern gemacht. Vor zwei Jahren bin ich dann zum ersten Mal auch nach Nepal gereist. Inzwischen arbeite ich dort mit der größten Augenklinik in Katmandu zusammen, die regelmäßige Eye Camps in den abgelegenen Bergregionen organisiert.

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Sollte solch eine Aufklärungsarbeit wie du sie betreibst, nicht eigentlich Aufgabe der Regierungen sein?
Ja, aber leider befindet sich die Aufklärungsarbeit noch in den Kinderschuhen, da die Menschen ganz andere Sorgen haben. Gerade deshalb sind Aufklärung-Camps von enormer Bedeutung. Mein Ziel ist es, flächendeckend Eye Education Camps aufzubauen.

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Die Menschen zeichnen sich durch eine große Dankbarkeit aus, man bekommt direkt etwas von ihnen zurück

Du reist inzwischen seit mehr als zehn Jahren in die nordindische Himalaya-Region. Was zeichnet die Menschen dort aus?
Die Menschen leben dort in bitterer Armut und dennoch sind das sehr fröhliche Persönlichkeiten. Die Einheimischen sind mit so wenig zufrieden und das bisschen Besitztum, das sie haben, teilen sie von Herzen mit anderen. Diese Liebenswürdigkeit hat mich vom ersten Moment an fasziniert und war einer der wesentlichen Gründe, das Shades of Love-Projekt überhaupt ins Leben zu rufen. Die Menschen zeichnen sich durch eine große Dankbarkeit aus, man bekommt direkt etwas von ihnen zurück. Ehrliche Freude.

In einem TED-Talk hast du den schönen Satz »Wenn man nach dem Wie fragt, kommen die Dinge ins Rollen« gesagt…
Wenn man sich nicht von den erst besten Hindernissen abschrecken lässt und ausreichend von einer Sache überzeugt ist und nach kreativen Lösungen sucht, kann man erstaunlich viel bewegen.

Bis heute hast du mit deinem Projekt nicht nur über 120000 Brillen gesammelt, sondern auch tausende kostenlose Augenuntersuchen sowie hunderte Operationen in den Bergen durchgeführt. Wie hast du es geschafft, so viele Menschen Organisationen von deinem Vorhaben zu überzeugen? Wie findest du eigentlich Sponsoren für Shades of Love?
Nach meiner ersten Verteilungsaktion 2009 habe ich in meinem Café eine Fotoausstellung gemacht, die viel Aufmerksamkeit gebracht hat. Inzwischen gehe ich zum Beispiel auch auf Sportartikelmessen und spreche die Firmen direkt an und frage sie, ob sie mein Projekt unterstützen möchten. Dabei stoße ich eigentlich immer auf großes Interesse.

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Statt mit Privatsachen sind meine Koffer immer randvoll mit Sonnenbrillen gefüllt

Wie bewerkstelligst du eigentlich von München aus die Verteilung der Brillen? Ist das nicht eine logistische Meisterleistung?
Oh ja, die Brillen von Europa aus ins Himalaya Gebirge zu bekommen, ist nach wie vor eine Herausforderung. Ich bin quasi permanent auf der Suche nach Leuten, die meine Brillen mit rüber nehmen. Ich selber nehme die Brillen bei jeder Reise mit ins Gepäck – statt mit Privatsachen sind meine Koffer immer randvoll mit Sonnenbrillen… Aber auch Privatleute kommen auf mich zu und fragen mich, ob sie Brillen auf ihrer Reise in die Region mitnehmen können. Und ich gehe mittlerweile gezielt auf Reiseveranstalter und frage diese, ob die Urlauber Brillen in ihrem Gepäck transportieren und diese vor Ort bei Freunden von mir abgeben können. Das klappt wunderbar. Wo ein Wille ist, sind auch viele kreative Wege… Vor ein paar Jahren kam das Rucksack-Unternehmen Deuter, das eine Schule in Katmandu unterstützt, auf mich zu, weil es über 1.000 Rucksäcke in die vom Erdbeben erschütterte Region schicken wollte. Sie hatten noch Platz in ihrem Container frei und so und konnte ich kostenlos knapp 2.000 Brillen verschiffen. So etwas sind natürlich tolle Symbiosen!

Wie viel Manpower steckt eigentlich hinter Shades of Love? Hast du (ehrenamtliche) Angestellte?
(Lacht) Angestellte habe ich keine, aber inzwischen gibt es ein weltweites Netzwerk mit ehrenamtlichen Shades of Love-Botschaftern – ich habe Repräsentanten in Frankreich, Spanien, in der Schweiz und auch in Saudi Arabien, die das Ziel verfolgen, das Projekt noch bekannter zu machen und dort auf Sponsorensuche zu gehen.

Ein gutes Stichwort. Gäb es eine Wunsch-Kooperation mit Unternehmen?
Jegliche Firma, die Shades of Love logistisch unterstützt, wäre eine große Hilfe. Das können beispielsweise Firmen sein, die regelmäßig Waren in diese Region liefern. Ebenfalls großartig wäre ein Sponsor für Brillen-Beutel. Denn diese würde ich gerne bedrucken und mit einer Zeichensprache versehen, die erklärt, wann eine Brille zu tragen ist, wie man sie säubert und pflegt. Eine Art Aufklärungs-Beutelchen.

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Dann wollen wir mal hoffen, dass dieser Artikel genau den richtigen Leute unter die Augen kommt! Inwiefern hat dein jahrelanges Engagement und der Kontakt zu den Menschen in den abgelegenen Himalaya-Bergregionen eigentlich deinen Blick auf das eigene (Luxus-)Leben verändert?
Die Erfahrungen relativieren vermeintliche Probleme und gleichzeitig wird einem immer bewusster, wie verdammt gut es uns eigentlich geht.

Wie sehen deine Pläne für die Zukunft aus?
Bald werde ich wieder nach Ladakh fahren. Mein längerfristiges Ziel ist es, in allen Himalaya-Ländern, Nepal, Butan und Tibet, tätig  zu werden und die Leute zu erreichen, die völlig fernab von jeglicher Zivilisation leben.

Last but not least: Wie kann ich selber aktiv werden und Shades of Love unterstützen? Jeder einzelne kann (gut erhaltende) Brillen in seinem Umfeld im Freundeskreis oder Büro sammeln und diese entweder in einer der zahlreichen Shades of Love-Sammelstellen abgeben oder aber direkt per Post zu mir schicken.

 

Fotos: PR

 

Hier findet ihr ein weiteres inspirierendes Projekt: Conflictfood – Faire Produkte aus Krisenregionen