Shinrin Yoku – das heißt sinngemäß »Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes«. Die aus Japan stammende Praxis bringe ich als zertifizierte Waldbaden-Leiterin mit Mimameid Waldbaden nach Deutschland. Denn Waldbaden ist mehr, als unter Tannen sitzend ein bisschen zu atmen! Wie sich die Heilkraft des Waldes auf uns auswirkt und welche Übungen du ganz einfach selbst ausprobieren kannst.
Immer wieder werde ich gefragt, ob beim Waldbaden denn Badesachen eingepackt werden müssen. »Wenn du dich darin wohler fühlst, dann gerne!«, sage ich immer. Denn Waldbaden hat wenig mit dem kühlen Nass zu tun. Wir alle sind von Natur aus mit der Natur verbunden. Auch, wenn das vielen von uns vielleicht gar nicht mehr bewusst ist. Unsere heutige technisierte, digitale, urbane Welt hat uns weit weggerückt von der natürlichen Verbindung zu Mutter Erde. Lebten unsere evolutionären Vorfahren noch in den Wäldern, den Steppen und Dschungeln dieser Welt in Einklang mit Tag-, Nacht- und Jahreszeiten, gehören wir heute zur »Generation Indoor«. Rund 90% des Tages verbringen wir in geschlossenen Räumen. Das klingt viel – doch wenn du dich daran erinnerst, wie viel bewusste Zeit du die letzten Tage unter freiem Himmel verbracht hast, werden es sicherlich nur einige, wenige Stunden sein. Im gleichen Atemzug vergessen wir oft, dass die Art und Weise, wie wir heute leben, nur ein Augenblick ist in Anbracht dessen, wie lange es die Menschheit auf diesem Planeten gibt. Die Natur ist tiefer mit uns verbunden, als Dating-Apps, Videos-Calls oder Onlineshopping.
Die heilsame Kraft des Waldes
Shinrin Yoku, Waldbaden, Forest Bathing. Übersetzt bedeutet Shinrin Yoku so viel wie »Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes«. Wenn wir in etwas eintauchen, dann nehmen wir mit allen Sinnen wahr, wir hüllen uns ein, umgeben uns, hingebungsvoll in Präsenz. Shinrin Yoku wird in Japan seit den 1980er Jahren praktiziert und gelehrt. Waldbaden ist also keine uralte, kulturell verwurzelte Tradition, sondern eher eine Konsequenz aus der immer weiteren Entfremdung von Mensch und Natur. Seit vielen Jahren wird Shinrin Yoku in Japan bereits von Ärzt*innen als Stresspräventionsmaßnahme empfohlen. Im Akasawa Heilwald, dem größten der fernen Insel, halten Mediziner*innen regelmäßig Sprechstunden im Wald ab. In Japan gibt es heute über 60 zertifizierte Heilwälder – in Deutschland derweil erst einen.
Der Wald macht uns gesund!
Seit Anfang der 2000er Jahre werden in Japan die positiven Effekte des Waldbadens wissenschaftlich untersucht. Die Ergebnisse bestätigen, was viele von uns nach einer längeren Zeit in der Natur spüren: Der Puls wird langsamer, unser Blutdruck senkt sich, das Gedankenkarusell stoppt und wir kommen präsent im Moment und bei uns an. Der Wald stärkt zudem unser Immunsystem – nachweislich. Denn schon zwei Stunden bewusstes waldbaden erhöht die Anzahl unserer natürlichen Killerzellen um fast 40%. Der Effekt hält bis zu sieben Tage an.
Eigentlich müssten wir alle nur einmal die Woche bewusst Waldbaden praktizieren und unser Immunsystem wäre topfit. Der äußerst gesunde Effekt geht auf sogenannte Phytonzide zurück – bioaktive Pflanzenstoffe, die die Bäume aus Blättern, Nadel und Borke aussenden, um untereinander zu kommunizieren oder sich zu schützen. Diese Phytonzide kommunizieren auch mit unserem Immunsystem und geben unserem Körper einen grünen, gesunden Booster.
Mimameid Waldbaden – wir alle sind Natur
Ich habe Mimameid Waldbaden nicht nur gegründet, um uns drinnen sitzende Stadtmenschen zurück in die Natur zu bringen. Ich möchte den Menschen vor allem den Wald zurück ins Herz bringen. Das klingt jetzt irgendwie ein bisschen kitschig. Und zeitgleich ist der Effekt so wirkungsvoll wie simpel: Was wir lieben, das schützen wir. Darauf passen wir auf, dem schenken wir Aufmerksamkeit, Zeit und Raum in unserem Leben. Ohne Wald kein Sauerstoff und ohne Sauerstoff kein Leben. Die Bäume und der Wald als Ökosystem sind in der Zeit der Klimakrise eine unfassbar wertvolle, lebensspendende und Zukunft sichernde Ressource.
So kannst du auch alleine waldbaden
Waldbaden ist eine heilsame, entschleunigte Erfrischung, ein Abtauchen vom Alltag, ein Wiederverbinden mit den eigenen Sinnen und ein Ankommen im Hier und Jetzt. In meinen geführten Waldbädern leite ich dich für circa zweieinhalb Stunden an, damit du in Ruhe in den Wald eintauchen kannst. Denn oft sind wir zum Spazierengehen, Joggen, Reiten, Pilzesammeln oder was auch immer im Wald unterwegs. Wir wollen von A nach B kommen oder ein Ziel erreichen. Das alles ist wenig absichtsloslos. Im Gegenteil. Du musst aber nicht gleich ein geführtes Waldbad mitmachen (wobei es wirklich sehr schön ist). Ich teile heute zwei Übungen mit dir, die ich während meiner Ausbildung an der Deutschen Akadamie für Waldbaden gelernt habe. Du kannst sie prima alleine im Wald praktizieren und so in die heilsame Waldwelt abtauchen. Am besten suchst du dir für die Übungen eine Lichtung und eine ruhige Stelle im Wald, an der du dich sicher und wohl fühlst.
90 Grad sehen
Der Sinn, den wir rund 80% des Tages nutzen – aber viel zu selten ganz bewusst: Unser Sehsinn! Für das 90 Grad sehen suchst du dir im Wald eine Stelle, an der du deinen Blick etwas in der Ferne ruhen lassen kannst. Nimm einen bequemen Stand ein. Achte darauf, dass du deine Knie nicht zu stark durch drückst, sondern locker und leicht stehst. Höre für ein paar Züge deinem Atem zu und beginne dann mit der Übung. Du schaust einfach geradeaus und nimmst wahr, was dich umgibt. Die Bäume, ihre Rinde, Moose, Blätter, Sträucher. Schaue nicht nach links oder rechts, sondern ruhe deinen Blick ganz einfach und nimm wahr. Du kannst dir entweder einen kleinen Wecker stellen oder die Position intuitiv verändern. Du drehst dich auf der Stelle 90 Grad um deine rechte Achse und nimmst wieder wahr. Das machst du insgesamt viermal, bist du an deinem Ausgangspunkt angekommen bist. Wie sieht die Natur jetzt aus? Wie fühlst du dich? Wie hat sich dein Blick verändert? Schließe zum Abschluss deine Augen und stelle dir aus der Vogelperspektive vor, wie du im Wald stehst. Nimm dir für die Übung circa 10 bis 15 Minuten Zeit
Atmen in drei Stufen
Die gesunde Waldluft ist wie ein Heiltrunk zum Einatmen. Deswegen sind Atemübungen im Wald ein wahrer Immun-Segen. Finde auch für diese Übung wieder einen lockeren Stand an einem Ort im Wald, an dem du dich wohl fühlst. Wenn du magst, kannst du dich auch auf den Boden setzen oder sogar ganz hinlegen. Mache die Übung mit offenen oder geschlossenen Augen, je nachdem, was sie für dich besser anfühlt. Atme dreimal tief durch die Nase ein und lösend durch den Mund aus. Dann lege deine Hände unterhalb deiner Schlüsselbeine ab und schicke deinen Atem in diese Region. Atme für einige Züge in diese Körperstelle. Lege dann deine Hände auf deine Rippenbögen und tue das gleich. Nach einigen Atemzügen legst du deine Hände auf deinem Unterbauch ab und atmest in diese Region. Währenddessen kannst du dir vorstellen, wie die gesunde Waldluft wie grünes Licht in deine Nase fließt und sich über deine Lungen im ganzen Körper verteilt. Zum Abschluss legst du deine Hände noch einmal auf die Körperstelle, die du jetzt berühren magst und spürst einfach nach. Wie fühlt sich dein Körper an? Wie fühlst du innerlich? Bist du wacher? Entspannter? Ausgeglichener? Für diese Übung solltest du dir mindestens 10 Minuten Zeit nehmen.
Ich biete bald wieder regelmäßig Waldbäder in Hamburg an. Die Termine findest du auf meiner Website unter mimameid-waldbaden.de. Bald sind weitere Termine um Berlin herum geplant.
Fotos: Roman Dachsel
Noch mehr Waldbaden? Hier geht es zu unserem Artikel: Waldbaden Shinrin Yoku – Warum uns der Wald so gut tut