Bye Bye Dried Flowers? Warum konventionelle Trockenblumen nicht gerade nachhaltig sind

Bye Bye Dried Flowers? Warum konventionelle Trockenblumen nicht gerade nachhaltig sind: Mentha Piperita

Flower-Power-Ökos aufgepasst: Konventionelle Trockenblumen haben es in sich. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die dafür verwendeten Chemikalien sind alles andere als Natur pur. Wir haben uns mit den nachhaltigen Blumen-Expertinnen Nadja und Xenia von Mentha Piperita ausgetauscht. Wie Trockenblumen-Träume auch nachhaltig wahr werden und welche heimischen Pflanzen sich besonders zum Selbsttrocknen eignen.

Vor einigen Wochen begegnete mir eine interessante Instagram-Story von einer Freundin. Die Naturliebhaberin in mir wurde gleich angestupst. Wie? Trockenblumen sind nicht nachhaltig? Wieso das denn? Ein Trockenblumenstrauß hält doch viiiieeeel länger, als ein frisches Sträußchen. Tja Mäuschen, falsch kalkuliert. Warum? Weil viele, aktuell angesagte Trockenblumen und Trockengräser nicht nur aus Übersee kommen – was sie per se schon nicht unbedingt besonders umweltfreundlich macht – für die Trocknung und das Haltbarmachen werden zudem diverse Chemikalien und Bleichmittel verwendet. Das schadet nicht nur der Umwelt und dem Grundwasser, sondern ist auch für die Luft Zuhause alles andere als eine schöne Geste. Denn die Chemikalien können auch Wochen nach der Behandlung aus den Trockenblumen ausdünsten.

Trockenblumen und Nachhaltigkeit – wie regionale Dried Flowers grüne Freude bringen

Als ich Xenia und Nadja von Mentha Piperita entdeckte, hüpfte mein Hippie-Herz. Die beiden bauen vor den Toren Hamburgs regional, saisonal und nachhaltig Schnittblumen an und verwenden diese ebenfalls zur Herstellung einmalig schöner Trockensträuße und Interior-Accessoires aus Dried Flowers. Nadja und Xenia gehören zur Slowflower-Bewegung, einem deutschlandweiten, bunten Kollektiv an Flowerfarmern, Florist:innen und Blumengärtner:innen. Es lohnt sich, zu entdecken, welchen tollen Menschen in deiner Region nachhaltige Schnittblumen anbauen. Wir haben mit den beiden Blumen-Ladies von Mentha Piperita gesprochen und tolle Tipps und wichtige Insights erhalten. Here we grow:

Trockenblumen und getrocknete Gräser sind gerade voll im Trend – und auf den ersten Blick scheinen sie eine nachhaltige und langlebige Alternative zu frischen Sträußen zu sein. Warum sind die getrockneten Pflanzen gerade so beliebt?

Xenia: Also wo genau der Trend seinen Ursprung hat, finde ich schwer zu sagen, aber in der 1980ern gab es ja schon mal einen großen Trockenblumen-DIY-Trend und nachdem wir ja auch im Modebereich beobachten können, dass so ziemlich jeder Trend wieder zurückkehrt, verhält es sich bei Trockenblumen vielleicht ähnlich. Ich glaube aber auch, dass genau der Nachhaltigkeitsgedanke, den du schon angesprochen hast, eine große Rolle bei der Beliebtheit von Trockenblumen spielt. Trockenblumen sind monate-, ja sogar jahrelang, haltbar. Sie sind pflegeleicht und bringen uns ein Stück Natur in unsere Wohnung. Das passt natürlich sehr gut in die aktuelle Zeit.

Die Romantikerin in mir denkt bei Trockenblumen an Wildblumen, die liebevoll durch achtsame Florist:innen-Hände getrocknet wurden. Doch so einfach ist es nicht, vor allem, wenn wir uns konventionelle Trockenblumen anschauen. Wie werden Blumen bearbeitet, um zu Trockenblumen zu werden?

Nadja: Also ich glaube mit dieser romantischen Vorstellung von Wildblumen hat das leider sehr wenig zu tun, denn genauso wie beim konventionellen Anbau von frischen Blumen kommen sehr viele Blumen und Gräser aus Übersee und haben lange Transportwege hinter sich. Wir wissen sehr wenig über die Anbaubedingungen / eingesetzte Pestizide bei Trockenblumen, wie auch bei konventionellen.
Der Faktor, der bei Trockenblumen hinzu kommt, ist, dass sie häufig chemisch gebleicht, gefärbt und haltbar gemacht werden. Die eingesetzten Chemikalien belasten dann wiederum die Umwelt im jeweiligen Herstellungsland natürlich nochmal zusätzlich.
Ein gutes Beispiel ist hier der getrocknete und gebleichte Ruscus, der momentan ganz besonders beliebt zu sein scheint. Ruscus ist eine Pflanze, die eigentlich dunkelgrüne, feste Blätter hat. Verkauft wird sie aber als filigrane, komplett weiße Pflanze.
Unsere Slowflower-Kollegin Anne Oberwalleney von Ikoflowers hat mal genau recherchiert, welche Chemikalien zum Einsatz kommen, damit Ruscus so weiß und filigran wird. Wir freuen uns, hier einen Teil der Recherchen mit dir teilen zu können:

1 | Um die Farbe zu entziehen, werden Bleichmittel (Hypochlorite, Natriumchlorit, Peroxid, Hydrosulfate) genutzt.

2 | Hinzu kommen sogenannte Bleichzusätze. Häufig wird EDTA, kurz für Ethylendiamintetraessigsäure, eingesetzt. Ein Mittel, das wir wegen seiner zytotoxischen und genotoxischen Eigenschaften in Kosmetika und Körperpflegeprodukten meiden. Außerdem ist es als sogenannter Komplexbildner, ein chemischer Stoff, der bindet, kaum abbaubar und gelangt über die Kanalisation und den Klärschlamm in unsere Gewässer.

3 | Schwefeldioxid wird verwendet, um wiederum den Geruch des Bleichmittels zu verringern.

4 | Und zu »guter« Letzt zur Stabilisierung: Glycerin oder Calciumchlorid. Sie sollen verhindern, dass das Laub spröde wird. Das Prekäre? Glycerin basiert oft auf Basis von Erdöl.

Uff – heißt das jetzt, wir müssen für immer auf getrocknete Blumen und Gräser verzichten? Wie handhabt ihr es als Mitglieder der Slowflower Bewegung? Müssen Menschen, denen Nachhaltigkeit am Herzen liegt, jetzt die Trockensträuße von ihrer Wunschliste streichen?

Xenia: Auf keinen Fall! Man kann Trockenblumen auch total nachhaltig produzieren! Eigentlich sind sie ein wunderbares und nachhaltiges Produkt, das auch ganz nah an deine romantische Vorstellung herankommen kann.
Ich glaube Menschen, denen Nachhaltigkeit am Herzen liegt, haben hier verschiedenste Möglichkeiten. Erstmal kann man damit beginnen, auf die Herkunft der Blumen und Gräser zu achten und im zweiten Schritt auf gebleichte und gefärbte Pflanzen verzichten.

Eine andere schöne Möglichkeit ist auch, frische Blumen, die man gerade zuhause hat, einfach in der Vase (ohne Wasser) zu trocknen und dann zu schauen, welche Blumen einem auch getrocknet noch gefallen. Wir sind oft überrascht, wie viele Blumen sich toll zum Trocknen eignen!

Wir selbst bauen auf unserem kleinen Blumenfeld viele Sorten an, die wir sowohl frisch als auch getrocknet weiterverarbeiten. Blumen, bei denen wir die natürliche Farbe so gut wie möglich erhalten wollen, trocknen wir in einem dunklen Raum. Wenn man Blumen dem Sonnenlicht direkt aussetzt, bleichen sie auf natürliche Art und Weise aus, auch das machen wir uns bei manchen Sorten gerne zu nutze. Weder während des Anbaus noch in der Weiterverarbeitung gelangen sie mit Chemikalien in Kontakt und unserer Meinung nach kommen wir damit trotzdem zu einem tollen und natürlichen Ergebnis.

Welche nachhaltigen und regionalen Gräser und Blumen könnt ihr als Trockenversion empfehlen? Welche sind eure persönlichen Lieblinge?

Xenia: Ich liebe Strandflieder, gelbe Schafgarbe und Samtgras. Strandflieder gibt es in allen denkbaren Farben, und es macht sich sowohl in der Vase als auch in Kränzen total gut. Die gelbe Schafgarbe ist einfach super stabil und langlebig und hat eine außergewöhnliche Form. Samtgras, oder auch Hasenschwanzgras, ist eines meiner Lieblingsgräser und eignet sich super zum Trocknen.

Nadja: Meine Lieblinge sind Lunaria (Silberblatt), Ritttersporn und Strohblumen in Pastelltönen. Lunaria ist wunderbar filigran und hat diesen tollen Silberschimmer. An Rittersporn beeindruckt mich, dass er seine Farbe auch nach dem Trocknen behält und Strohblumen gibt es einfach in so vielen Farbtönen und Varianten, dass für jeden etwas dabei ist.

Vielen Dank, Nadja und Xenia, für das Teilen eures Wissens und die blumige Inspiration.

 

Fotos: Patrick Lipke, Xenia Bluhm

 

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