Reasons for Hope – ein Interview mit Primatenforscherin Dr. Jane Goodall 

Reasons for Hope – ein Interview mit Primatenforscherin Jane Goodall 

Dr. Jane Goodall ist eine Ikone des Natur- und Artenschutzes. Wir haben mit ihr gesprochen. Über ihre Motivation, über »Fridays For Future« und warum Musik und Wissenschaft so gut zusammen passen. Dr. Jane Goodall ist legendär. Visionär. Und unfassbar sympathisch. Und schenkt uns in Zeiten wie diesen Hoffnung, dass wir gemeinsam etwas für die Erde bewirken können.

Es gibt Menschen, die haben so viel Licht und Leidenschaft in ihrer Seele, dass es gar keinen anderen Weg gab, als dass sie andere Menschen inspirieren. So ein Mensch ist Dr. Jane Goodall. Die gelernte Sekretärin reiste 1960 nach Gombe in Tansania und revolutioniert alles, was die Gelehrten damals über Schimpansen zu wissen schienen. Auch heute ist Jane unermüdlich im Auftrag von Mutter Erde und ihrer wunderschönen Vielfalt auf der ganzen Welt unterwegs. Um ihr Wissen, ihre Erlebnisse, ihre Visionen noch greifbarer zu machen, veranstaltet sie immer wieder Events, mit denen sie Musik und Wissenschaft verbindet und die Herzen der Menschen berührt. So auch am 21. Juni im Showpalast in München anlässlich ihres 85. Geburtstags mit Gästen wie dem Singer-Songwriter Ingo Pohlmann oder der Saxophonistin Stephanie Lottermoser. Wir wollten wissen, was diese bemerkenswerte Frau antreibt und was sie sich für die Erde wünscht.

Reasons for Hope – ein Interview mit Primatenforscherin Jane Goodall 

Reasons for Hope – ein Interview mit Primatenforscherin Jane Goodall 

Jane Goodall – unermüdlich für die Erde in der Welt unterwegs

Jane – du gibst die Hoffnung nach wie vor nicht auf und stehst felsenfest dafür ein, dass wir die Klimawende noch schaffen. Woher nimmst du deine Motivation und deinen Glauben?
Dr. Jane Goodall: Ich verließ die Wälder von Gombe 1986, nachdem ich auf einem Kongress war, der aus aller Welt stammenden Wissenschaftler zusammenbrachte, die bis dahin Schimpansen in mehreren Ländern Afrikas studierten. Als ich 1960 begann, war ich ganz allein.  Damals erfuhr ich von der Abholzung in ganz Afrika (und anderen Ländern) und wie die Schimpansenpopulationen infolge dessen zusammen mit dem Fleischhandel von Buschtieren, dem Lebendtierhandel und dem Bevölkerungswachstum schrumpften, so dass die Dörfer mehr Land suchten und tiefer in den  Lebensraum der Schimpansen eindrangen und Krankheiten mitnahmen. Schimpanskörper sind unseren Körper sehr ähnlich und können sich unsere Infektionskrankheiten einfangen. Seitdem habe ich in der Tat eine kontinuierliche Zerstörung der natürlichen Welt und viel Grausamkeit erlebt. Meine Hoffnung liegt…

… in der Energie, dem Engagement und der Begeisterung junger Menschen, wenn sie die Probleme erkennen und sich darin gestärkt fühlen, aktiv zu werden. Deshalb habe ich »Roots & Shoots« ins Leben gerufen, das heute mit seinen vielen Mitglieder vom Kindergarten bis zur Universität in mehr als 60 Ländern, darunter auch Deutschland, eine wichtige Botschaft in die Welt bringt: Jeder Einzelne macht jeden Tag etwas aus und wir können wählen, welchen Unterschied wir machen. Der kumulative Effekt von Millionen ethischer Entscheidungen, die jeden Tag, in dem, was wir kaufen, essen, tragen usw., geschieht, führt uns in eine bessere Welt. Jede Gruppe (rund 1.500 auf der ganzen Welt) wählt drei Projekte aus, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen: Für Menschen, für Tiere, für die Umwelt.

… in unserem erstaunlicher Verstand: Wir beginnen, innovative Technologien zu entwickeln, die uns helfen können, in größerer Harmonie mit der Natur zu leben und jeden Tag geringere ökologische Fußabdrücke in unserem eigenen Leben zu hinterlassen.

… in der Widerstandsfähigkeit der Natur: Orte, die wir zerstört haben, können mit Zeit und Mühe wiederhergestellt werden und Tiere, die kurz vor dem Aussterben stehen, können eine weitere Chance bekommen.

… in den sozialen Medien, damit wir Menschen, die sich für ein bestimmtes Thema aus aller Welt interessieren, zusammenbringen können, damit ihre Stimmen gehört werden.

… im unbezwingbaren menschlichen Geist: die Menschen, die das Unmögliche angehen, nie aufgeben und erfolgreich sein wollen. Die erstaunlichen Menschen, die ich auf meiner Reise treffe, ihre wunderbaren und inspirierenden Projekte, die Menschen, Tieren und der Umwelt zugutekommen.

Reasons for Hope – ein Interview mit Primatenforscherin Jane Goodall 

Reasons for Hope – ein Interview mit Primatenforscherin Jane Goodall 

Seit 60 Jahren kämpfst du für die Umwelt und Tierwelt. Welche sind die Momente, Menschen und auch Tiere, die dich in deinem Leben am meisten gestärkt und inspiriert haben?
Meine Mutter unterstützte immer meine Liebe zu Tieren. Ich war 10, als ich beschloss, als Erwachsene nach Afrika zu gehen, mit Tieren zu leben und Bücher über sie zu schreiben.  Inspiriert von Geschichten wie Doktor Dolittle und Tarzan. Alle lachten mich aus – wir hatten sehr wenig Geld, es gab einen Krieg, Afrika war weit weg und Mädchen taten so etwas damals nicht. Aber meine Mutter sagte mir, wenn ich das wirklich tun wollte, müsste ich wirklich hart arbeiten, alle Möglichkeiten nutzen – aber nie aufgeben. Es war Dr. Louis Leakey, der mir die Möglichkeit gab, nicht irgendein Tier zu studieren, sondern dasjenige, das uns am ähnlichsten ist: Den Schimpansen. Es war der Schimpanse David Greybeard, der zuerst seine Angst vor mir verlor und mir zeigte, dass Schimpansen Werkzeuge benutzen und eigenständig herstellen konnten. Meine Grundschullehrerin brachte mir bei, mich zu behaupten. Das tat ich auch: Gegen die Professoren der Cambridge University, die mir sagte, dass ich die Schimpansen hätte nummerieren sollen, anstatt ihnen Namen zu geben. Und dass ich ihre Persönlichkeiten, ihren Geist, der in der Lage war, Probleme zu lösen und ihre Emotionen wie Glück, Angst, Depression, Wut, Trauer nicht hätte beschreiben können – denn all diese Dinge waren dem Menschen vorbehalten. Mein Lehrer war mein Hund, Rusty. Irgendwann habe ich meinen Doktortitel bekommen.

In unserer Heimatstadt Hamburg und in vielen anderen Städten weltweit gehen Kinder und Jugendliche mit »Fridays For Future« auf wöchentliche Klimastreiks. Was möchtest du diesen Kindern mit auf den Weg geben?
Ich hoffe, dass sie nicht nur demonstrieren und Veränderungen fordern, sondern auch selbst handeln werden. Das ist es, was die »Roots & Shoots« Mitglieder tatsächlich tun – die Ärmel hochkrempeln und handeln. Sehr viele der »Roots & Shoots«-Gruppen bekämpfen die Klimakrise. Bäume pflanzen, die Verwendung von Palmöl aus nicht nachhaltigen Plantagen bekämpfen, wandern oder radeln, wann immer möglich, recyceln und wiederverwenden, vegetarisch oder vegan werden. Es ist die intensive Massentierhaltung, die einen großen Beitrag zu den Treibhausgasen leistet und die letzten Endes zu einer globalen Erwärmung und zu den Veränderungen im Wetter führt. Die Tierhaltung verwendet Massen von fossilen Brennstoffen und die Milliarden Tieren produzieren Methan, eines der schlimmsten Treibhausgase.

Reasons for Hope – ein Interview mit Primatenforscherin Jane Goodall 

Was wünschst du dir für die nächsten 10 Jahre?
Dass die Regierungen die Klimakrise ganz oben auf ihre Agenda setzen. Es ist einfach absurd zu denken, dass wir eine unbegrenzte wirtschaftliche Entwicklung auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen haben können. Dass wir eine kritische Masse von jungen Menschen heranwachsen lassen, die verstehen, dass wir Geld zum Leben brauchen, aber wir sollten NICHT für Geld leben – es sei denn, es geht darum, eine bessere Welt zu schaffen. Junge Menschen, die mit den richtigen Werten in die Welt der Erwachsenen einziehen, die Menschen aus anderen Nationen, Kulturen und Religionen respektieren, ebenso wie die Tiere  und die Natur.

Du bist etwa 300 Tage im Jahr unterwegs. Welchen Ort nennst du dein Zuhause und warum?
England. Das Haus, in dem ich im Süden aufgewachsen bin, gehört mir und meiner Schwester. Sie lebt dort dauerhaft mit ihrer Familie. Hier komme ich zwischen den Touren hin. Alle meine Kinderbücher sind hier, die Bäume, auf denen ich kletterte, stehen noch im Garten. Es sind meine Wurzeln. Hier kann ich ich selbst sein, ganz ohne öffentliche Aufmerksamkeit.

In einigen deiner Vorträge und Events verbindest du Musik und Wissenschaft, so zum Beispiel auch im letzten Jahr mit der Inszenierung »Reasons For Hope«. Warum hast du dich entschieden, Wissenschaft und Musik auf einer Bühne zusammenzubringen?
Musik hilft, uns mit der Natur zu verbinden – zumindest mit der Art von Klassik oder Country-Musik, die ich mag. Musiker*innen spielen sehr oft vor und während meiner Vorlesungen. Und die von Lorenz Knauer, dem Filmemacher, der »Jane’s Journey« inszeniert und produziert hat, aufgebauten Veranstaltungen hatten weitere Events dieser Art zur Folge, bei denen die Musik eine wichtige Rolle spielt, um meine Botschaft an das Publikum weiterzugeben. Denn ich bin nicht nur eine Wissenschaftlerin, sondern eine Naturforscherin und mein Ziel ist es, den Menschen zu helfen, sich der natürlichen Welt und ihrer eigenen spirituellen Natur nahe zu kommen.

Vielen Dank Jane, für dein Wirken, deinen Mut und deine Zeit! 

 


Über das Jane Goodall Institut Deutschland e.V.

Das Jane Goodall Institut Deutschland e.V. mit Sitz in München gehört zu den weltweit agierenden Informationsbüros, welche die Botschaft und die Arbeit von Jane Goodall länderspezifisch aufbereiten und noch greifbarer machen. Insgesamt gibt es 31 dieser Büros auf der ganzen Welt. Das zentrale Motiv ist die Förderung eines respektvollen Umgangs zwischen Menschen, Tieren und der Natur. Dazu gehört Forschung einerseits und Aufklärung andererseits. Das Jugendprogramm »Jane Goodall’s Roots & Shoots« richtet sich an Kinder, Jugendliche, Schulen und Universitäten, um frühzeitig zu sensibilisieren und zu informieren.

 

Fotos: PR, ©Jane Goodall Institut

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