Plastic, not fantastic! Unsere Weltmeere sind voller Mikroplastik – doch immer noch kennen wir die gesamten Ausmaße nicht. Wir haben mit der Ärztin Jana Leberl gesprochen, die einige Wochen mit einer reinen Frauen-Crew auf einem Forschungsschiff durch die Karibik gesegelt ist. Das Projekt eXXpedition untersucht die Plastikverschmutzung der Ozeane und hilft Menschen, ihre Fähigkeiten zu nutzen, um dieses Problem zu lösen. Warum das Projekt so einmalig ist und was Jana alles während ihrer Zeit an Bord erlebt hat, teilen wir heute mit euch.
Wichtiger Hinweis: Wir haben bereits vor einigen Wochen mit Jana gesprochen – lange bevor die Corona-Krise ausgebrochen ist. Aktuell wissen wir leider nicht, wie der Status des Projekts ist und wie es weitergeht. Zeitgleich finden wir das Projekt und Janas Engagement sehr insprierend und wollten deshalb die Arbeit von eXXpedition mit euch teilen.
Nur 2% der weltweit segelnden Crews bestehen aus Frauen. 2014 gegründet, steht eXXpedition für ein feministisches, wissenschaftliches, interdisziplinäres und umweltschützendes Female Empowerment Projekt, das sich der Erforschung von Mikroplastik und deren Auswirkung auf die Meere verschrieben hat. Dabei geht es nicht nur um Datenerhebung und die Aufnahme von Proben, sondern auch um Aufklärung – in den betroffenen Regionen, ebenso wie in den müllverursachenden Ländern. »30% der Kunststoffe werden in Deutschland recycelt. Der Weltdurchschnitt liegt bei gerade einmal 14%. Der weitere Müll wird in 10% aller Fälle verbrannt, rund 60% vom Kunststoff-Müll wird verschifft – aus den Augen, aus dem Sinn. Leider heißt das oft: Ab ins Meer!«, erzählt mir Jana am Telefon, als sie gerade von ihrer Schicht in einem Kölner Krankenhaus kommt. Einige Wochen ist sie jetzt schon wieder Zuhause. Wie es ihr gehe, frage ich. Gut – antworte sie. Die Reise habe ihr in so vielen Richtungen noch weiter die Augen geöffnet.
eXXpedition – 14 Frauen alleine auf den Weltmeeren
Der Schwerpunkt des Forschungsprojekts liegt darin, ein besseres Verständnis der Kunststoff-Frage als Ganzes zu fördern und mit der Industrie zusammenzuarbeiten, um Lösungen und politische Maßnahmen auf globaler Ebene zu finden. eXXpedition will Wissenslücken schließen und aufklären.
Im Oktober 2019 starten das bisher größtes Projekt, die »eXXpedition Round the World«. Im Rahmen dieses Projekts werden 300 Frauen aus unterschiedlichen Berufsfeldern über einen Zeitraum von zwei Jahren 30 Reisen unternehmen. Das Projekt steckt also gerade in vollem Gange – und Jana war 12 Tage lang Teil der Crew. Sie betreute die Route von Aruba nach Panama. »Die Karibik – traumhaft! Und doch: Es gibt überall so viel mehr Müll, als wir uns alle vorstellen können«, berichtet Jana. Bei dem Beach Clean-Up einer kleinen Karibikinsel habe sie auf 100 Metern Strandabschnitt alleine 50 Croc Schuhe gefunden.
Wer jetzt an 12 Tage malerischem Urlaubsflair an Deck denkt, liegt falsch. »Gleich am ersten Tag ging es mit der Arbeit los. Im Hafen von Oranjestadt begannen wir mit Plastiksammeln, um Daten darüber zu erheben, um welchen Müll es sich handelt und wo er potentiell herkommt.« Die Crew arbeitet zusammen mit internationalen Universitäten – jeder Tag zählt, um Daten zum Mikroplastik zu sammeln und neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Mikroplastik Projekt – Segeln, kochen, schlafen, arbeiten
»Die folgenden Tage, in denen wir Richtung Panama segelten, teilten wir uns in kleine Gruppen auf. In 4-Stunden Rotationen wechselten wir uns beim Segeln, Kochen und Schlafen ab. Jeden Nachmittag drosselten wir das Tempo, um die Mikroplastik Daten für zwei weitere unserer Studien zu sammeln. Erstere beleuchtet Mikroplastik im Oberflächenwasser. Diese Untersuchung wurde tatsächlich schon von einigen anderen Forschern gemacht. Einzigartig an unserer Untersuchung zu Mikroplastik ist, dass wir einmal rund um die Welt segeln und immer dieselbe Methode anwenden, was die Daten sehr aussagekräftig und gut vergleichbar macht«, so Jana in unserem Gespräch.
»Um Plastik zu sammeln nutzen wir einen sogenannten »Manta-Trawl«, also ein Netz in der Form eines Manta Rochens, welches wir 20 Minuten lang im Wasser neben dem Boot schwimmen ließen, bevor wir es rausholten und in einem langwierigen Filterprozess alle Plastikpartikel aus dem Netz sammelten. Gemäß bisher unpublizierter und inoffizieller Daten aus unserem Labor in Plymouth waren bisher in jeder unserer Proben aus dem Oberflächenwasser Plastik zu finden. Forscher gehen allerdings davon aus, dass lediglich 0,5% des Plastiks auf der Oberfläche schwimmen. Der Rest schwimmt vermutlich irgendwo in tieferen Wasserschichten oder liegt auf dem Meeresgrund. Für die zweite Studie ließen wir daher eine speziell designte Flasche in 25 Meter Tiefe herab um zu verstehen, wie hoch die Dichte an Plastikpartikeln in der Tiefe ist.«
Von Menschen und Meeren
Bei eXXpedition handelt es sich um ein ganzheitliches Projekt. Es geht nicht nur um das stumpfe Sammeln von Daten, sondern auch darum, den Menschen in den betroffenen Gebieten zu begegnen, ihnen zuzuhören und gemeinsame Lösungen zu finden. »Nach einigen Tagen erreichten wir schließlich San Blas, eine Inselgruppe aus mehr als 350 kleinen, mit Kokospalmen bewachsenen Sandinseln, die von einer der letzten indigenen Stämme der Region, den Kuna Yala, bewohnt werden. Wir nutzten die Tatsache, dass wir für einige Tage vor Anker lagen außerdem dazu, für unsere vierte Studie Proben vom Meeresgrund zu nehmen.«
Die Massen an Plastik, die sie sahen, waren überwältigend. In den Dörfern der Kuna Yala war der Boden bedeckt mit Plastikschnipseln und Dosen. Jana erzählt uns, dass laut Angaben des Dorflehrers der Müll von den Familien verbrannt werde – dabei entstehen allerdings giftige und sogar krebserregende Substanzen, die die Menschen ungefiltert einatmen. Auch die menschenlosen Inseln waren voller Müll. Die Clean-Ups waren hier vergebene Liebesmüh, denn das Segelschiff hatte gar nicht die Kapazität, den ganzen Müll mitzunehmen.
Ob Jana so ganz alleine auf dem Ozean keine Angst gehabt habe will ich wissen. »Überhaupt nicht! Ich habe mich so sicher gefühlt mit unserer Kapitänin und den anderen Frauen. Du hast zwar keine Privatsphäre und Duschen geht auch nicht wirklich – dafür ist der Zusammenhalt und das, was Frauen gemeinsam auf die Beine stellen können, so wertvoll. Tagsüber dann dazu das Glitzern des Meeres, nachts der sternenklare Himmel, einfach unbeschreiblich großartig«, so Jana. Sie habe Dank der Reise noch mehr verstanden, was jede*r einzelne bewirken kann – und zeitgleich, dass die weltweite Aufklärung über Plastik immer noch in den Kinderschuhen stecke.
Heute ist Jana zurück in Deutschland – und setzt in ihrem Kölner Krankenhaus schon erste Ideen zur Plastikvermeidung um. Das Schiff von eXXpedition führt regelmäßig Logbuch – es lohnt sich also bei den Frauen vorbeizuschauen und das Projekt zu unterstützen.
Fotos: PR
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