Dass Sport dazu dienen kann, Jugendlichen zu helfen und ihnen den Weg zu Bildung zu ermöglichen, beweist die preisgekrönte NGO Skateistan. Seit der Gründung im Jahr 2007 konnten dank des engagierten Projekts zahlreiche Jungen und Mädchen aus Afghanistan und anderen Krisenregionen der Welt nicht nur skaten, sondern auch schreiben lernen.
Alles begann im Jahr 2007, als der australische Skater Oliver Percovich mit drei Skateboards im Gepäck nach Kabul reiste. Schnell bemerkte er, wie fasziniert die Kinder von seinen Boards waren und wie viel Freude ihnen das Üben damit bereitete. Er erkannte das Potenzial und beschloss wiederzukehren – mit mehr Boards, mehr Helfern und mehr Ideen.
Seine Social Empowerment-Visionen waren von Erfolg gekrönt, 2009 wurde in Kabul auf einer Fläche von mehr als 5.000m ² der erste Skatepark mit einer daran anschließenden Bildungseinrichtung eröffnet! Mittlerweile betreibt Skateistan in Mazar-e-Sharif einen fast dreimal so großen Skatepark, ebenso ist die Organisation nun auch in Kambodscha, Pakistan und Johannesburg vertreten.
Ay Caramba – Skaten macht Schule
Bart Simpson wäre wohl nicht sehr angetan über die Verbindung von Skatboarding und Bildung. Für die afghanischen Kinder hingegen – nur 49 % der Jungen und 18 % der Frauen zwischen 15 bis 24 Jahren können lesen und schreiben – sind die angegliederten Bildungseinrichtungen eine einmalige Chance.
Die von Skateistan betreuten Kinder sind meist zwischen fünf und 18 Jahre alt, mehr als die Hälfte von ihnen arbeitet für ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familie auf der Straße. Schule? Meist ein Fremdwort, besonders für die Mädchen. Frauen haben es in Afghanistan prinzipiell nicht einfach, auch wenn es um so – für uns banal wirkende Dinge – wie Fahrradfahren oder Fußballspielen geht. Diese sind den Mädchen nämlich untersagt. Nicht aber das Skaten – die perfekte Sportart also, um Jungen und Mädchen aus den verschiedensten Schichten einander näherzubringen und so die Weichen für eine tolerantere Gesellschaft zu stellen. Nur gemeinsam ist man stark, deswegen wird bei Skateistan nicht nur Wert auf ein friedvolles und tolerantes Miteinander gelegt, sondern jedes einzelne Kind wird gefördert! Aus diesem Grund schließt an jede Skate-Lehreinheit ein einstündiger Bildungsworkshop an. Damit Kinder, die nicht lesen und schreiben können, nicht benachteiligt werden, wird hierbei vor allem mit Kunst, Fotografie, Film, Theater, Bildhauerei und Illustrationen gearbeitet. So können alle auf gleichberechtigte Art und Weise Einblicke in neue Themenfelder wie Gesundheit, Hygiene, Kultur, Traditionen und natürliche Ressourcen erlangen. Durch kollegiales Arbeiten und gemeinsames Problemlösen wird der Teamgeist gestärkt.
Dank Skateistan direkt zur Schule skaten
Skaten ist ein cooler Sport, der die Jugendlichen magisch anzieht und weg von der Straße holt. Die künstlerischen Bildungsworkshops sind der perfekte Ort, um Vertrauen und Zusammenhalt zu stärken und Sozialkapital aufzubauen. Doch Skateistan geht noch einen Schritt weiter und bietet mit »Back to School« ein zwölfmonatiges Programm an, bei welchem die Kinder an fünf Tagen in der Woche den Stoff einer Klassenstufe lernen. Danach haben sie die Möglichkeit eine Aufnahmeprüfung zu absolvieren, um wieder eine öffentliche Schule besuchen zu können und ihren Abschluss zu machen. Übrigens: Fast die Hälfte aller Kinder, die dieses Programm bisher absolvierten, sind Mädchen! Da pfeift man doch gerne aufs Fahrrad und skatet lieber lässig zur Schule!
Auf zwei Achsen und vier Rollen zur Führungskraft
Die Vision von Skateistan-Gründer Oliver Percovick ist es, die Jugendlichen zu Führungskräften zu erziehen. Nur so ist es möglich, dass sie ihre wertvollen Erfahrungen, die sie im friedvollen und toleranten Umgang miteinander erlernt haben, teilen und in die Gesellschaft hinaustragen. Die angeschlossenen Bildungsmöglichkeiten ermöglichen den Kindern nicht nur den Zugang zu einer öffentlichen Schule, sondern fördern auch ihr Wissen in den verschiedensten – sonst oft zu kurz kommenden – Themenbereichen und der künstlerischen Gestaltung. Darüber hinaus bietet das Projekt aber auch selbst die Möglichkeit, sein Wissen aktiv weiterzuvermitteln und Führungskompetenzen zu entwickeln. Aus ehemaligen Schülern werden Lehrer! Mittlerweile unterrichten bei Skateistan bereits 28 Afghaninnen und Afghanen und bringen den jüngeren Kindern den richtigen Umgang mit Board, Pinsel und Buchstaben bei. Mehr als 40 Kinder engagieren sich freiwillig bei Skateistan und helfen bei der Organisation von Events oder Workshops mit. Das Skateboard, ein simples Sportgerät, zwei Achsen, vier Rollen – und der Wegbereiter für eine bessere, lebenswertere und selbstbestimmtere Zukunft!
Mitmachen ausdrücklich erwünscht
Bei wem der Gedanke, selbst auf einem wackeligen Skateboard stehen zu müssen, zu kalten Schweißausbrüchen führt, kann Skateistan dennoch unterstützen. Eine Mitgliedschaft kostet gerade einmal 12 € im Jahr. Wer hingegen keine Angst vor Halfpipes hat, kann sich auch direkt bei Skateistan für eine aktive Mitarbeit bewerben.
Wer mehr über Skateistan erfahren möchte, der kann sich auch den 2013 erschienenen Film »The Skateistan Movie« ansehen. Lieber kurz und knackig? Dann empfiehlt sich der Kurzfilm von Orlando von Einsiedler.
Leseratten kommen natürlich auch nicht zu kurz, die beiden Bücher »The Skateistan Book« und »Some Time To Smile« zeigen das Leben in Afghanistan und das Wirken von Skateistan in eindrucksvollen Bildern. Wir finden: auf alle Fällen einen Blick wert!
Fotos: PR
Und hier geht’s zu einer weiteren tollen Initiative: Choclo Project – ein neues Leben für Straßenkinder!