Warum die Pantone Farbe des Jahres eine Farce ist. Wie jedes Jahr verkündet Pantone die Farbe des Jahres. 2019 soll Pantone Living Coral unseren grauen, digitalen Alltag warm und schön machen – denn es ist ein »lebensbejahendes Orange mit goldenem Unterton«. Wenn das die Koralle hören könnte. Bis 2030 sollen 60% ihrer Art ausgestorben sein.
Es dauert nur wenige Stunden, dann weiß die gesamte Designer-, Mode- und Werbewelt Bescheid. Trommelwirbel. Die Pantone Farbe des Jahres heißt dieses Jahr: Living Coral. Wir poetisieren über Farbwärme, Emotionen, die bei Betrachter*innen entstehen. Überall Mood-Boards, Ton in Ton. Hallo neues, buntes Jahr – da bist du ja schon.
»Pantone Living Coral strahlt die gewünschten, gewohnten und energetisierenden Aspekte einer in der Natur vorkommenden Farbe aus. In seiner prachtvollen, doch leider so schwer erreichbaren natürlichen Umgebung unter dem Meer verzaubert der anregende, spritzige Farbton Auge und Sinne«, heißt es in der offiziellen Erklärung der Farbe.
So, wenn du bis hierher gelesen hast, dann fragst du dich vielleicht, was denn jetzt eigentlich mein Problem ist: Einer der größten Kuratoren für Farbwelten, die Menschen auf der ganzen Welt erreichen, lässt sich von der Natur inspirieren – und verliert dabei kein einziges Wort darüber, wie gefährdet dieses einzigartige Naturphänomen eigentlich ist und wie schlecht es den Korallen-Riffen geht.
Auf dem Land sind rund 12% der Erdoberfläche unter Schutz gestellt. Das Meer bekommt nur schlappe 1%. Pantone Living Coral müßte meiner Meinung nach ein Tribut an dieses wundervolle und lebenswichtige Ökosystem sein. Als ich die Farb-News mit Fenja teilte, war sie total begeistert: »Wie cool – eine Charity Aktion für die Korallen? Das ist ja mal mega!« Was für ein wundervolles Wunschdenken. Warum, Pantone, spendet ihr nicht von jedem verkauften Pantone Living Coral Becher, Schlüsselanhänger oder Notizbuch einen Teil für den Erhalt der weltweiten Riffe? Die kleinen Nesseltierchen beheimaten nicht nur rund 20% der Fischbestände der Meere. Nein, sie sind auch essentieller Teil des gesamten Welt-Klimas. Sie schützen Inseln vor Wellen und leiten Strömungen. Ich bin so traurig darüber, dass unsere schillernde Konsumwelt sich der Farbwelt der Natur bedienen darf – ohne Mama Erde irgendetwas zurückzugeben. Geschweige denn, ihr ein bisschen Wahrheit einzuräumen. Und das, obwohl die Mittel da wären, ebenso wie die Reichweite.
Pantone Living Coral: Ich mal mir die Welt, wie sie mir gefällt
Auf einmal fällt es uns wie Schuppen von den Augen. Dieser korallfarbene Fisch. Vor der korallroten Koralle. In perfekten komplementärem Blau. Mit Blubber-Bläschen im Hintergrund. Wie lange muss der Pantone Fotograf mit Atemgerät durch die Korallenriffe getaucht sein, um diesen einen, perfekten Schuss hinzubekommen? Hust. Nachdem uns eine großartige Followerin darauf aufmerksam machte, den Fisch in dem Pantone-Imagebildern doch einmal genauer unter die Meeres-Lupe zu nehmen, war alles klar. Bei dem unfreiwillige Model handelt es sich um einen sogenannten »Papageienbuntbarsch«. Diese Fische werden laut Tierschutzexperten als Qualzucht eingestuft. Sie kommen nicht natürlich in der Natur vor. Und oft werden ihnen sogar Farben mit Spritzen injiziert, damit sie, Regenbogen gleich, in allen Farben unserer Träume schimmern. Der Fisch wurde so verzüchtet, dass er nur unter Zugabe von Hormonen zeugungsfähig ist. In China werden ihnen sogar manchmal Reklame oder Logos in die Schuppen geleasert. Man geht davon aus, dass dieses Vorgehen äußerst schmerzhaft für die Fisch ist.
Die Pantone Farbe des Jahres 2019 ist eine Farce. Ich frage mich, ob die Koralle sogar extra angemalt oder am Comupter eingefärbt sein könnte? Der Fisch wurde vielleicht sogar gespritzt? Beide tristen ihrem vermalten Dasein vermutlich in einem schnöden Aquarium (hier geht es zum Video von Pantone). Wer weiß. Pantone selbst setzt noch einen drauf: »Trotz dieser düsteren Realität in unseren Weltmeeren möchten wir mit dieser Farbe die Schönheit von Korallenrot in seinem natürlichen, lebendigen Zustand feiern und in den Blickpunkt rücken – ebenso wie in den anderen Erscheinungsformen wie im Sonnenuntergang sowie in Flora und Fauna.« – so Leatrice Eiseman, Executive Director des Pantone Color Institute, laut dpa.
Pantone Living Coral vs. Dead Coral
Keine Frage. Ich finde, Koralle ist eine wunderschöne Farbe. Wobei der Name irreführend ist, denn Korallen gibt es in allen erdenklichen Farben. Sie schimmern, glänzen, bringen einen wahres Farbwunder unter die Wasseroberfläche. Doch leider gibt es an dieser Stelle auch ein Aber. Wir sind dieses Jahr auf die Malediven gereist und haben uns vor Ort mit dem Thema Korallensterben auseinandergesetzt. Wir sind über die toten Riffe geschnorchelt. Es sah es aus wie eine abgestorbene Mondlandschaft. Das war einer der traurigsten Momente in diesem Jahr.
Wir machen jetzt einfach eine Mission daraus: Wir tragen faire Kleidung und Naturkosmetik-Lippenstifte in der Farbe des Jahres und jedes Mal, wenn wir ein Kompliment dafür bekommen, erzählen wir Menschen, dass, wenn wir so weiter machen, es bald nur noch »Dead Coral« gibt und dass diese Farbe uns daran erinnern soll, wie wunderschön und wichtig unser Zuhause-Planet doch ist. Auf dass wir hier noch lange »Living Human« sein können.
Fotos: Florian Grill, PR
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