Thank you Lockdown – bringt uns Covid-19 die Fast Fashion Wende?

War’s das jetzt mit dem schnelllebigen Modezirkus? Die Textilgeschäfte sind geschlossen. Und es türmt sich die Ware darin. Eine halbe Milliarde Modeartikel, die nicht verkauft werden. Beschert uns die Corona-Krise endlich den Wandel von Fast Fashion zu nachhaltiger Mode?

Ich kaufe bereits seit Jahren keine Fast Fashion mehr. Zugegeben: Der ein oder andere Insta-Trend, aber auch ein leerer Geldbeutel haben die Versuchung manchmal groß gemacht. Doch schnell habe ich mich wieder besonnen. Denn die konventionelle Modeindustrie ist laut nature.com noch umweltschädlicher als Kreuzfahrten. 1,2 Billionen Tonnen CO2 verursacht der schnelle Modekonsum. Mehr als Flug- und Kreuzfahrtverkehr zusammen. Mode ist in den letzten Jahrzehnten zur Massenware geworden. Und zwar zu einer, die sehr schnell schlecht wird.

Und jetzt? Dank Corona kein Fast Fashion mehr?

Egal wen ich frage, alle sind sich einig: Die weltweite Pandemie rüttelt und schüttelt kräftig an bekannten Systemen, Werten, Meinungen. In alle mögliche Richtungen. Vieles ist chaotisch – haben doch die meisten von uns noch keine Pandemie erlebt. Doch wo Chaos ist, entsteht auch immer Nährboden für etwas Neues.

Aktuell liegen in Deutschland laut Welt rund eine halbe Milliarde Textilartikel wie Kleidung, Schuhe und Lederwaren in deutschen Einzelhandels-Geschäften. Ein Land mit 83 Millionen Einwohner:innen. Wer soll all das Zeug kaufen? Das frage ich mich nicht seit heute, im Gegenteil. Aber dieser »Warenstau« ist das perfekte Sinnbild dafür.

Daraus resultieren zwei Gefahren. Zum einen werden definitiv Rabatt-Schlachten entstehen, in denen die Ware sogar unter Einkaufspreis verhökert wird. Das ermutigt Menschen, doch zu kaufen, obwohl sie eigentlich nichts brauchen. Alles, was dann nicht verkauft wird, muss vermutlich entsorgt werden. Zudem kann die meiste Fast Fashion Mode nicht einmal richtig recycelt werden, so billig wie sie verarbeitet wurde. Wir tragen ein Kleidungsstück durchschnittlich vier Mal. Dann landet es laut Greenpeace in der Altkeidersammlung.

Doch es wird fröhlich weiter produziert. Der Schlamassel? In den nächsten Wochen kommt bereits die Frühjahrs-Ware. Die dann vielerorts sicherlich von den Abnehmer:innen nicht bezahlt werden kann, da sie klassischerweise aus den Gewinnen des Wintergeschäfts finanziert wird.

#PayUp – unter Fast Fashion leiden oft die Menschen am Anfang der Lieferkette

Ohne Frage. Die drohenden Existenzverluste in Deutschland sind katastrophal. Laut Handelsverband Deutschland stehen 250.000 Arbeitsplätze im Einzelhandel auf dem Spiel. Ich wünsche niemanden die Arbeitslosigkeit. Gleichzeitig gehören all diese Arbeitsplätze zu einem System, das meiner Meinung nach auf Ausbeutung beruht. Denn während Menschen hier in Deutschland in unserem Sozialstaat abgesichert sind, so sind es die Textilarbeiter:innen in Ländern wie Bangladesch, Pakistan, Kambodscha oder Sri Lanka in der Regel nicht.

Unter dem Hashtag #PayUp gibt es eine internationale Bewegung, die versucht, große Fast Fashion Player zu bewegen, Menschen in textilherstellenden Ländern im Zuge der Pandemie weiter zu bezahlen oder für eine Grundsicherung an Geld zu sorgen. Denn ganz ehrlich: Ohne diese Menschen, die für Hungerlöhne jahrelang das System Fast Fashion am Laufen gehalten haben, wäre das exponentielle Wirtschaftswachstum von Konsumriesen wie H&M, C&A, Primark, Asos oder Inditex-Gruppe, zu denen Zara oder Pull & Bear gehört, gar nicht erstmöglich gewesen. Das Schlimme? Bereits 2020 wurden aufgrund der Pandemie und damit einhergehenden stornierten Bestellungen viele Textilarbeiter:innen weniger Lohn gezahlt. Laut workersright.org sank der durchschnittliche monatliche Lohn um mehr als 20 % – von 187 US-Dollar pro Monat auf 147 US-Dollar. Doch viele Fashion-Riesen haben in 2020 einen hohen Gewinn erzielt. Umso verständlicher, dass unter dem Hashtag #ShareYourProfits die Stimmen immer lauter werden, dass Großkonzerne aus der Modeindustrie ihre Gewinne teilen und die unausgeglichene Profit-Verteilung sichtbar wird. Es sei hier nur am Rande erwähnt, dass es nach wie vor immer noch kein Lieferkettengesetz gibt, dass Textilarbeiter:innen schützen könnte und Großkonzerne in die Verantwortung ziehen würde.

Happy Home – mehr Zuhause, weniger Kleiderstress

Verantwortung übernehmen auch wir. Und ich habe das Gefühl, dass immer mehr Menschen im Zuge der Pandemie ihren Konsum und die damit einhergehende Verantwortung hinterfragen. Lokale Läden und Marken unterstützen, nicht mehr jedem Trend hinterherrennen. Sich genauer fragen, was mit dem eigenen Geld gekauft werden soll. Und die grandiose Erkenntnis: Wir brauchen gar nicht so viel Kleidung! Hier ist das Home-Office und die vielen, neuen Stunden Zuhause ein perfekter Lehrmeister.

Mehr denn je heißt es heute: Kaufe nur, was du wirklich brauchst. Kaufe lokal, kaufe fair, kaufe nachhaltig und sprich mit deinen Mitmenschen darüber, wie schädlich Fast Fashion für unsere Erde ist! Damit das marode und umweltschädliche System der Fast Fashion weiter bröckelt.

Was denkst du? Ist es gut, dass Menschen weniger einkaufen? Wie hat sich dein Konsum seit nun fast einem Jahr Corona-Pandemie verändert?

 

Fotos: Fernand De Canne/Unsplash, Jordan Nix/Unsplash, Rio Lecatompessy/Unsplash, the blowup/Unsplash

 

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