Nu-In: Warum wir das Label von Stefanie Giesinger und Marcus Butler kritisch sehen

Nu-In: Warum wir das Influencer Label von Stefanie Giesinger und Marcus Butler kritisch sehen

Fashionista-Instagram Bubble meets Fair Fashion? Die GNTM Gewinnerin und Megainfluencerin Stefanie Giesinger hat mit ihrem Freund Marcus Butler ein nach eigenen Angaben nachhaltiges Modelabel gegründet: NU-IN. Wir haben hinter die Kulissen und Instagram-Filter geschaut: Was und vor allem wer steckt hinter NU-IN? Und warum sind wir von dem neuen hippen Label nicht überzeugt?

»Sustainable and affordable« haucht Stefanie Giesinger im Voice-Over in den Youtube Werbeclip im 90er Jahre Look, der mir seit ein paar Wochen regelmäßig eingespielt wird. Gepose in herkömmlicher Instagram Manier, lasziv in die Kamera schauen. Hier mal drehen, dort mal gelangweilt in die Linse starren. Zu sehen? Angeblich nachhaltige Styles. Nach nur wenigen Wochen hat das Label NU-IN, welches sich auf der Startseite des Onlineshops mit Worten wie »Organic«, »Recycled« oder »Clean Dyeing« schmückt, eine Followerschaft im fünfstelligen Bereich. Kein Wunder – folgen doch zwei ihrer Gründer*innen jeweils 3,8 und 3,2 Millionen Menschen.

NU-IN: Warum es sich auch lohnt, hinter die Kulissen zu schauen

Bevor wir einen genauen Blick auf Materialien und Produktion werfen, ist es wichtig, einen Blick auf die Menschen bzw. den unternehmerischen Background von NU-IN zu werfen. Während Stefanie und Marcus unter anderem die Testimonials der Marke sind und ihre modische Position nutzen, um das Label im coolen Licht erscheinen zu lassen, ist Director (Geschäftsführer) von NU-IN der Schwede Mike Mikkelborg. Mike ist bzw. war Co-Owner des Ultra Fast Fashion Brands NA-KD – für uns ein klares No-Go. Natürlich muss niemand, der die Welt verbessern will, eine blütenweiße Weste tragen. Gleichzeitig unterstützen wir weder Konzernstrukturen, noch Unternehmen, die einen deutlich von Nachhaltigkeit abgewandten Hintergrund aufweisen. Was wir persönlich bei NA-KD so empfinden.

Nu-In: Warum wir das Influencer Label von Stefanie Giesinger und Marcus Butler kritisch sehen: Quelle About youQuelle: www.aboutyou.de

Was denn nun: »Fashion first. Sustainable always« oder »Fashion. Sustainably driven«?

Ein Artikel wie dieser schreibt sich in der Regel nicht über Nacht. Was gut ist – denn manchmal geschehen während der Erstellung interessante Wendungen. Nach immer lauter werdender Kritik in den sozialen Medien hat sich NU-IN wohl dazu entschieden ihren Claim von »Fashion first. Sustainable always« in »Fashion. Sustainably driven« auf ihrer Website zu ändern. Beim großen Online-Shop About you wird NU-IN allerdings immer noch mit diesem Claim »Fashion first. Sustainable always« beworben.
Auf der Website von NU-IN steht: »We’ve designed every part of our business around sustainability to show the fashion industry that it can be done…« Jeder Teil des Unternehmens wurde auf Nachhaltigkeit ausgerichtet? Wirklich? Und warum wurde der Claim dann geändert?

Die Position des Co-Owner, die Mike Mikkelborg bei NA-KD bekleidet hat, war während unserer Recherchen auf dem Netzwerk-Portal LinkedIn (siehe unten) und weiteren sozialen Plattformen öffentlich einsehbar. Komischerweise ist aktuell über diese Position nichts mehr auf seinen Profilen zu finden. Wir fragen uns, warum diese Informationen über Mike Mikkelborg plötzlich nicht mehr sichtbar sind.

Nu-In: Warum wir das Influencer Label von Stefanie Giesinger und Marcus Butler kritisch sehen: Mike Mikkelborg, Quelle Linked inQuelle: www.inkedin.com

 

Nu-In: Warum wir das Influencer Label von Stefanie Giesinger und Marcus Butler kritisch sehen
Wir haben uns auch dazu entschlossen, noch tiefer in die Marke einzutauchen. Offiziell heißt die Firma NU-IN Fashion Limited. Die Investoren von VGI Solutions Limited halten die Mehrheitsanteile von 51%, Mike Mikkelborg hat 27% der Anteile, Poppy Warwicker-Le Breton hält 5%. Und Stefanie Giesinger und Marcus Butler halten jeweils 8,5% der Anteile und haben jeder 8.500 Euro eingelegt. Damit würde ich persönlich NU-IN alles andere als »ihre« Marke bezeichnen. Was ich ebenfalls merkwürdig finde, dass sie in der Öffentlichkeit als Markeninhaber*innen positioniert werden. Außerdem werden auf der Homepage von NU-IN diese vier als Gründer genannt: Mike, Poppy, Marcus und Stefanie. Daher ist mir auch nicht klar, warum die NU-IN Fashion Limited ihren Geschäftssitz in Irland hat – und nicht in Deutschland oder Großbritannien, wo Stefanie, Marcus und die anderen zwei Founder ihren Wohnsitz haben. Wie wir in einem sehr interessanten Beitrag »Irland – Steuerparadies für Großkonzerne« von Arte gelernt haben, soll Irlands ja ein wahres Steuerparadies sein.

 

Quelle: www.gala.de

Quelle: www.glamour.de

Quelle: www.jolie.de

Die Presse, wie z.B. Gala oder Glamour (siehe oben) feiert das nachaltige Modelabel NU-IN von Stefanie Giesinger und Marcus Butler. Was rechtlich gesehen nicht ganz korrekt ist, denn laut Markenregister sind die beiden keine Geschäftsführer noch haben sie eine Vertretungsberechtigung für die Gesellschaft, sondern sind lediglich Gesellschafter der Marke.

Ich stellte mir auch die Frage, weshalb man als aufstrebende*r Fair Fashion Unterstützer*in so viele Anteile »seiner« Marke von anderen Investoren halten läßt? Vor allem hält die Investorengruppe die Mehrheit der Gesellschaftsanteile von 51%. Potentiell ist es damit möglich, dass diese Mehrheitsgesellschafter Entscheidungen treffen, ohne dass Stefanie Giesinger und Marcus Butler damit einverstanden sind. Wichtige, nachhaltige Entscheidungen könnten so auf der Strecke bleiben.

Ist NU-IN das NA-KD der Fair Fashion Branche?

Das besonders bei jungen Frauen beliebte Label NA-KD vertreibt meiner Meinung nach qualitativ sehr minderwertige Produkte, die unter nicht nachvollziehbaren Bedingungen in China, Bangladesch, Indien, Italien, Marokko, Pakistan, Portugal und Türkei gefertigt werden. Ultra Fast Fashion Brands wie NA-KD unterspülen den gesamten konventionellen Modemarkt mit noch kürzeren Trend- und Kollektionszeiten. Während der schwedische Fast Fashion Riese rund drei Wochen braucht, um ein neues Teil zu launchen, benötigt NA-KD nur rund zwei Wochen oder sogar weniger. Das Ergebnis? Immer wieder neue Kaufanreize, die Vermittlung von »Du bist schon wieder hinter dem Trend«. Die Strategie? Instagram als Verkaufsplattform und reichweitenstarke Influencer als gewinnbringende Models nutzen.

 

Nu-In: Warum wir das Influencer Label von Stefanie Giesinger und Marcus Butler kritisch sehenQuelle: www.nu.in.com

Für mich hat der Markenauftritt von NU-IN ein ähnliches Geschmäckle. Während die meisten Fair Fashion Brands zum Launch mit einem ausgewählten, gut recherchierten und fair produzierten Produktportfolio an den Start gehen, klickst du dich bei NU-IN durch ein – meiner Meinung nach – fast schon überladen vielfältiges Sortiment – mit wirklich extrem günstigen Preisen. Eine »Clean Dyeing« Denim, die angeblich C02 spart, einen Teil Bio-Baumwolle enthält und fair produziert wurde. Für nur 44,90 Euro?

 

Quelle: www.nu.in.com

Auf der Website des Labels wird ein meiner Meinung nach eher weniger effektvoller Grund genannt, warum die Kleidung günstiger angeboten werden kann: »Using natural light in photoshoots and basing our creative office next to our main factory in Portugal not only helps to reduce our carbon footprint, it makes our clothes more affordable.« Spart natürliches Licht bei Fotoshootings und ein Kreativbüro direkt neben der portugiesischen Fabrik wirklich so viel Geld ein?

Hohe Produktivität = billigere Preise

Meine Redaktionskollegin Rabea teilte vor einiger Zeit ein Instagram Video mit mir. Darin gehen die Influencer Stefanie und Marcus auf einige, kritische Fragen zu NU-IN ein. Unter anderem die Preisgestaltung. Marcus begründet es durch eine »High Productivity« – eine hohe Auslastung ihrer Fabriken, die es ermöglicht, eine größere Menge Marge an Kleidung zu produzieren und diese billiger anzubieten. Das Fatale? Oft kann es passieren, dass dadurch viel mehr produziert wird, als gebraucht und verkauft wird. Ergo werden Kleidungsstücke im Sale noch günstiger verhökert oder entsorgt. Dabei entsteht Müll, ebenso wie Ressourcenverschwendung.

Auch in diesem Instagram-Video fällt der Claim »sustainable and affordable«. Nachhaltig und bezahlbar. Mein linkes Auge zuckt. Stefanie setzt noch einen drauf. Auf die Fragen, warum sie »Virgin Materials« verwenden, also zum Beispiel neu hergestelltes Polyester, antwortet sie, dass es einfach für manche trendorientierte Teile nicht möglich sei, andere Materialien zu verwenden. Entschuldigung? Für mich ist das Quatsch. Und ich kann im Schlaf 10 Labels aufzählen, die trendy sind, ohne dafür frisches Erdöl in eine Faser zu spinnen.

NU-IN: Polyester, Mischgewebe und Intransparenz

Natürlich zählt nicht nur der Background einer Marke, sondern auch Faktoren wie Materialverwendung und Produktionsstandard. NU-IN nutzt jedes sexy Buzzword, das mit Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht wird. Zeitgleich bieten sie Teile wie Pullover an, die zu fast 50% aus Acryl, also Polyester bestehen. Für viele Teile trifft diese Art von Mischfaser ebenfalls zu. Ich betrachte das auch mit einem kritischen Auge, denn Mischfasern sind schwer zu recyceln. Zwar teasert Stefanie in dem besagten Video an, dass sie eine Kooperationsfabrik in Portugal haben, die diese Mischfasern recyceln können – allerdings wäre mir das neu. Zudem: Wie soll garantiert werden, dass all ihre Teile genau in DIESE Fabrik zurückgesandt werden, damit sie wieder recycelt werden können? Monofasern sind mit der aktuell verfügbaren Technik die bessere Wahl! Ein einziger Pluspunkt: NU-IN geht sehr transparent mit seinen Fabriken um. That’s it.

 

Quelle: Dariadaria/Instagram

Wenn du mehr zu den Materialien erfahren willst, können wir dir wärmstens die Highlight-Storys »Sustainable?« bei Instagram von Dariadaria empfehlen, die mit ihrem Fair Fashion Label Dariadeh die besten Einblicke in den nachhaltigem Modemarkt besitzt und wirklich sehr gute Insights und Meinungsstücke zu NU-IN teilt. Sie zeigt zum Beispiel auf, dass Kleidungsstücke als »biodegradable« von NU-IN ausgezeichnet werden, welche Knöpfe und Reißverschlüsse besitzen, die in der Regel aus Plastik gefertigt werden, über die ebenfalls keine Infos im Shop verfügbar sind. So ein Kleidungsstück ist meines aktuellen Wissenstands nach nicht bzw. wenn überhaupt nur schwer kompostierbar.

Am Ziel vorbei geschneidert

Ich kann abschließend sagen, dass ich den grundsätzlichen Gedanken, dass Influencer mit einer Reichweite wie Stefanie Giesinger neue Menschen für die Modebranche und nachhaltige Standards zu sensibilisieren, großartig finde. Semi-transparente Materialkommunikation, fragwürdige Werbeaussagen und ein Geschäftsführer, der vielleicht auch noch Co-Owner eines Ultra Fast Fashion Brands ist, lehne ich allerdings ab.

In der Art und Weise, wie sich NU-IN aktuell platziert, finde ich es sogar eher kontraproduktiv: All den Labels und Menschen gegenüber, die wirklich zu 100% umweltbewusst, transparent und fair produzieren und dafür entsprechende Preise aufrufen müssen, die dann im Gegensatz zu NU-IN wieder »teuer« wirken. Denn »sustainable and affordable« darf nicht an den Preisen gemessen werden, die in der konventionellen Modebranche herrschen. Damit Nachhaltigkeit nicht vor dem Ausverkauf steht.

Bei der Recherche dieses Artikels hat mich unsere wunderbare Redaktionsassistentin Rabea Wahner unterstützt. Ebenfalls vielen Dank an die beiden Rechtsanwälte, die uns in diesem Fall auch wieder sehr mit ihrer Expertise geholfen haben. Tausend Dank für eure wertvolle Hilfe!

Diese Artikel spiegelt meine subjektive Meinung und Wahrnehmung wider. Er ist mit Fakten unterfüttert – das Resultat ist und bleibt allerdings meine persönliche Meinung. Ich kenne Stefanie Giesinger oder Marcus Butler nicht persönlich. In diesem Artikel geht es nicht um die beiden als Personen, sondern um ihre Rollen bei NU-IN.

 

Textassistenz: Rabea Wahner
Foto (Aufmacher): Imago Images/Brett Cove

 

 


Rechtsanwalt Thore Levermann, Fachanwalt für Medienrecht, Urheberrecht, NutzungsrechtDieser Artikel wurde vor Veröffentlichung rechtlich geprüft. An unserer Seite? Thore Levermann – Rechtsanwalt unserer Herzen. Er begleitet uns bereits seit einigen Jahren zuverlässig und mit vollem Einsatz zu allen rechtlichen Fragen rund um Peppermynta. Thore Levermann ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, für gewerblichen Rechtsschutz und Spezialist im Datenschutzrecht. Er berät zahlreiche Influencer:innen, Blogger:innen sowie Fotograf:innen und ist darüber hinaus Dozent für Presserecht an der Akademie für Publizistik. Thore Levermann ist Gründungspartner der Hamburger Kanzlei WLHK und selbstverständlich auf allen digitalen Wegen erreichbar.

 

 

 

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