2050 wird es mehr Plastikteile als Fische im Meer geben. Und schon heute schwimmen Plastikstrudel im Meer, die größer sind als Deutschland. Schauspieler und Aktivist Hannes Jaenicke hat gemeinsam mit der Biologin und Fachjournalistin Dr. Ina Knobloch das Sachbuch »Aufschrei der Meere« geschrieben und damit den Ozeanen, Flüssen und Seen unserer Erde eine Stimme verliehen. Warum wir alle das blaue Gold beschützen müssen, warum Meeresschutz mehr als Müllvermeidung ist und wie uns »Aufschrei der Meere« Mut gemacht hat.
Tägliche Bilder von aufgeschnittenen Fischen mit Plastikbäuchen und Korallenriffen, die aussehen wie tote Mondlandschaften. Wenn wir das Wort »Meer« hören, denken wir nicht mehr nur an weiße Sandstrände und türkisfarbene Weiten, sondern heutzutage auch an Müllstrudel, Ölteppiche und Schleppernetze. Es ging den Weltmeeren, Flüssen und Seen nie schlechter als heute. Der Mensch und sein umweltschädliches Wirtschaften sind der Hauptverursacher. Und das, obwohl uns kein Element näher ist als Wasser – bestehen wir doch selbst zu 70% daraus.
Aufschrei der Meere – von Meeres-Mythen und Hard Facts
Hannes fühlt sich im und auf dem Wasser ebenfalls in seinem Element. Der begeisterte Wassersportler hatte Mitte der 1980er Jahre seinen großen AHA-Moment, nachdem der Rhein bei Köln durch ein Chemieunglück dramatisch verunreinigt wurde. Er stellte sich die Frage, ob er nicht mehr machen können, als »nur« seinen jährlichen Greenpeace Beitrag zu zahlen. Er hinterfragt sein Konsumverhalten, seine Reisegewohnheiten – und schaute immer öfter auf die Finger von Großkonzernen. Heute erreicht und begeistert Hannes Männer, Frauen und Kinder auf der ganzen Welt. Er nutzt seine Medienwirksamkeit, um auf die Missstände unserer zeit aufmerksam zu machen. Das Buch »Aufschrei der Meere« ist dabei nicht nur ein Fingerzeig. Hannes und seine Kollegin Ina beleuchten faktenbasiert und gut verständlich unterschiedliche Bereiche des Ökosystems. Mit vielen Erkenntnissen: Wusstest du zum Beispiel, dass Aale rund 6000 km zurücklegen, um zu laichen? Bis heute weiß man nicht genau, wo dieser Ort in der Tiefsee genau ist. Neben informativen Facts haben wir in »Aufschrei der Meere« auch viele traurige Wahrheiten entdeckt. Zum Beispiel, dass die Seepferdchen-Populationen rund um Andalusien aufgrund der pestizidbelasteten Massenlandwirtschaft aussterben. Abwässer gelangen direkt und ungefiltert ins Meer. Hannes und Ina finden in den nach Tierarten gegliederten Kapiteln klare Worte – und ehrliche Ansagen. Unter anderem, dass eine Handvoll Konzerne für die katastrophalen Ausmaße auf der Welt verantwortlich zu machen sind. Zeitgleich geben sie zum Ende des Buches 100 Tipps für einen nachhaltigeren Alltag.
Probleme aufzeigen, Lösungen bieten, kritisch sein und dabei Hoffnung schenken. All das schätzen wir an Hannes und Inas Buch »Aufschrei der Meere«. »Nur Klimaleugner, unerschütterliche Optimisten und unbedarfte Naivlinge können davon ausgehen, dass sich die Meere nicht irgendwann rächen. In Form von Sturmfluten und Tsunamis tun sie es bereits, mit steigender Tendenz«, so Hannes in seinem Buch.
Wir wollten noch mehr klare Worte hören und haben mit Hannes gesprochen.
Artenschutz, Wälderschutz, Umweltschutz. Es gibt viele ökologische Themen, für die du dich bereits einsetzt. Warum hast du dich bei diesem Buch dafür entschieden, unseren Meeren, Seen und Flüsse eine Stimme zu verleihen?
Weil ich begeisterter Wassersportler bin und es nicht mehr zu übersehen ist, dass unsere Meere und Gewässer nur noch als Transport-Wege, Müllhalden oder Plünderungsstätten missbraucht werden.
Welches sind deiner Meinung und euren Recherchen nach die drei größten Gefahren für die Gesundheit unserer Gewässer?
Überfischung, Vermüllung, Erwärmung, Bodenschatz-Erschliessung, Sonar-Verschmutzung.
Was hat dich während der Ausarbeitung des Buches am meisten bewegt?
Dass selbst im Marianen-Graben und der nördlichsten Arktis der Meeresboden voller Plastikmüll ist.
Du selbst lebst am Ammersee – hast du Veränderungen in der Umwelt wahrnehmen können, seitdem du dort wohnst?
Er friert seit Jahren im Winter nicht mehr zu. Und wie es aussieht wird dies auch nicht mehr passieren.
Euer Buch »Aufschrei der Meere« vermittelt uns den Eindruck, dass es nie zu spät ist, etwas zu tun. Das schenkt uns Hoffnung. Wie genau legt ihr diesen hoffnungsvollen Satz aus? Reicht es schon, auf das Einweg-Geschirr zu verzichten, immer einen Einkaufsbeutel dabei zu haben oder mit dem Coffee To Go Becher zu reisen?
Jeder noch so kleine Schritt, und jede noch so kleine Aktion multipliziert sich unglaublich schnell. Egal ob es der Verzicht auf To-Go-Becher, Produkte mit Mikroplastik, Auto oder Fischkonsum ist. Würde jeder Bundesbürger seine Heizung im Winter um 1 Grad herunterdrehen könnte ein ganzes AKW vom Netz genommen werden.
In einem Interview sagtest du, dass offizielle Verbote Dinge einfacher machen können. In vielen Ländern, die oft sogar wirtschaftlich und finanziell eingeschränkter sind als Deutschland, gibt es bereits seit vielen Jahren zum Beispiel Plastiktüten-Verbote und ähnliches – Umstände, die hier meist noch in weiter Ferne liegen. Welche Themen würdest du gerne durch die Politik besser reguliert sehen?
So ziemlich jedes Umwelt-Thema: Plastik, öffentlicher Verkehr, zirkulares Wirtschaften, Bepfandung, CO2-Bepreisung, Energiewende und regenerative Energien, Massentierhaltung u.v.m. Unsere Regierungen versagen an praktisch allen Fronten, wenn es um Umwelt-, Klima- und Tierschutz geht.
Warum denkst du, hat Deutschland bis jetzt erst so wenige Gesetze für einen soliden Umweltschutz verabschiedet?
Die deutsche Lobbykratie funktioniert wie eine gut geölte Maschine, siehe Auto-, Chemie-, Agrar-, Energie-, Banken-Industrie. Die Industrie-Lobbyisten diktieren die Politik.
Wir sind immer sehr dankbar, wenn sich Menschen offen gegen Lobbyismus oder Großkonzerne positionieren und Wirtschafts-Strukturen kritisch hinterfragen. In eurem Buch kritisiert ihr beispielsweise den massenhaften Plastikverbrauch von Konzernen wie Nestlé, Coca-Cola oder Unilever. Du bist Ambassador von SodaStream. Das Unternehmen gehört mittlerweile zum Konzern PepsiCo. Ebenfalls einer der größten Verursacher von Plastikmüll weltweit. Wie kannst du das für dich vereinbaren?
Wenn ein globales Vermüllungs-Unternehmen langsam umsteuert, und ein ‚grünes‘ Unternehmen schluckt wie im genannten Fall, dann ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Und ändert nichts daran, dass ein Soda-Sprudler in einem Durchschnittshaushalt jährlich ca. 2500 PET-Flaschen und Dosen einspart.
Whataboutism. Ein Trend des Internets, bei dem unsachlich und unfundiert die kleinsten Kleinigkeiten kritisiert werden -– oft anonym. Du bist Halbamerikaner, Schauspieler und drehst Naturdokus in der ganzen Welt. Dafür musst du oft fliegen. Wie gehst du damit um, wenn dir kritisch unausgewogene oder unsachliche Kommentare begegnen? Und wie schaffst du, deine Vision und deine Ziele nicht zu verlieren?
In Deutschland musst Du päpstlicher sein als der Papst. Ich ignoriere das notorische, oft pathologische Gekrittel und Gemaule, mache meinen CO2-Ausgleich, fahre Fahrrad sooft und wo immer es geht und wünschte mir, dass alle diese Shit-Stürmer ihre Energie in etwas Produktives stecken würden anstatt nur herumzukritisieren.
Wasser ist ein riesiger Lebensraum für unzählige Arten von Tieren. Was denkst du über Delfinarien und das grundsätzliche Halten von wilden Tieren?
Delfinarien gehören weltweit verboten, sabotiert und boykottiert. Wer da immer noch hingeht unterstützt brutale Tierquälerei. Wenn Tiere halbwegs artgerecht gehalten werden und in der Wildnis kritisch vom Aussterben bedroht sind halte ich Zoos ansonsten für eine sinnvolle Einrichtung. Viele Menschen in industrialisierten Ländern und Grossstädten entdecken ihre Natur- und Tierliebe in Zoos.
Neben deinem tollen Engagement für den Umweltschutz verbringst du viel Zeit an Filmsets. Was kann diese Branche tun, um umweltfreundlicher zu werden? Und kann der »Grüne Drehpass« dabei helfen?Natürlich. Filme drehen ist per se eine Umwelttsauerei, da besteht gewaltig Luft nach oben zur Verbesserung. Insbesondere im Catering-, Transport- und Reise-Bereich.
Der Ullstein-Verlag verzichtet bereits seit 2018 darauf, Bücher in Plastikfolie einzuschweißen. Das finden wir großartig! War es für dich deshalb auch ein Grund, mit dem Ullstein-Verlag zusammenzuarbeiten?
Da ist Ullstein vorbildlich. Aber ich habe vor Jahren schon mit anderen Verlagen gegen die Folie gekämpft. Es hat wie so oft lange gedauert, um es durchzusetzen.
Hannes Jaenicke und Ina Knobloch beleuchten fachlich umfangreiche und komplexe ökologische Themen rund um unsere Ozeane in anschaulicher und gut verständlicher Weise. Sie gehen der Frage auf den Grund, was genau unsere Ozeane, Seen, Flüsse bedroht und welche ökologischen Entwicklungen daraus resultieren. In einzelnen Themenblöcken rund um Plastikmüll, Pestizide, Korallenriffe, Delfinarien oder Überfischung zeigen sie uns ein ungeschöntes und faktenbasiertes Bild auf und lassen uns Zeile um Zeile verstehen, wie schlecht es um unsere Weltmeere steht. Zeitgleich schenkt »Aufschrei der Meere« auch Hoffnung, denn Hannes und Ina arbeiten ebenso klar heraus, was jetzt getan werden muss, um die Meere und im gleichen Atemzug auch uns zu retten. Ullstein Verlag, 320 Seiten, über genialokal.de*, 19,99 Euro.
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Fotos: Privat, WWF © Stephanie Probst, Hans Scherhaufer, Greenpeace © Noel Guevara, PETA USA
Und noch mehr tolle Bücher, die uns in letzter Zeit inspiriert haben, findet ihr hier: Bücher über Nachhaltigkeit – unsere liebsten grünen Buchtipps