Pfand für alle? Ist die PETition vom Smoothie Hersteller Innocent Greenwashing?

Warum wir die Pfand-Petition von Innocent Pfand für alle nicht unterstützen: Pfandsystem, Pfand, Einwegflaschen, Plastikflasche, Smoothie

All eyes on Einweg! Das Unternehmen Innocent fordert aktuell, dass auch Saft- und Smoothieflaschen aus Einweg-PET ins deutsche Pfandsystem inkludiert werden sollen. Und das, obwohl bereits seit März 2020 ein Beschluss für die Ausweitung der Pfandregeln vorliegt. Die Mehrheit der Unternehmensanteile von Innocent besitzt Coca-Cola, ein Großkonzern, der laut Greenpeace zu den größten Plastikmüllverursachern der Welt gehört. Wie passt das zusammen? Und warum Einweg statt Mehrweg? Wir haben mit Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe e.V. gesprochen. Warum die Petition »Pfand für alle« für uns persönlich Greenwashing ist.

Für mich eröffnet sich auf meinem Bildschirm ein komisches Bild: Süße Früchtchen, die mit traurigen Gesichtern virtuell Plakate schwingen. »Möhr Rechte für unsere Flaschen« fordert etwa eine demonstrierende Karotte. Auf den ersten Blick wirkt die PETition »Pfand für Alle«, wie Innocent die Aktion selbst nennt, herzerwärmend. »Die setzen sich ein«, dachten wir zuerst. Doch spätestens seit der CO2-Petition von Oatly haben für mich persönlich Petitionen, die von Konzernen initiiert werden, irgendwie ein fahles Geschmäckle. Und auch bei Innocent schlägt mein eigener Greenwashing-Radar mächtig aus. Oder wie Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe e.V. sagt: »Die Kampagne von Innocent ist vor allem eins: eine Marketingaktion, um den Einsatz von Einwegplastikflaschen zu legitimieren.«

Innocent, Coca-Cola und der Plastik-Lobbyismus

Seit 2013 besitzt der Global Player Coca-Cola über 90% der Unternehmensanteile von Innocent. Ein Konzern, der laut Greenpeace pro Minute weltweit 200.000 Einwegflaschen herstellt. Zudem nimmt Coca-Cola viel Geld in die Hand, um ihren Einwegplastik-Lobbyismus in der EU zu stärken. Laut Der Standard im Jahr 2018 rund 950.000 Euro.

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Pfand für Alle – Eine Petition für einen Beschluss, den es schon gibt?

Was wir persönlich an der ganzen Petitions-Geschichte merkwürdig finden? Laut Deutscher Umwelthilfe e.V., kurz DHU, gibt es bereits seit März 2020 einen Beschluss des Bundesrates, der die Bundesregierung zur Ausweitung der Pfandpflicht aufgefordert (siehe Interview). Das bedeutet, ganz unabhängig von Innocents Petition »Pfand für alle«, wird die Einwegpfandregelung für Saft- und Smoothieflaschen erweitert.

Für dieses spannende Thema haben wir eine großartige Expertin interviewt. Barbara Metz ist stellvertretende Bundesgeschäftsführerin bei der Deutschen Umwelthilfe e.V., welche 1975 als unabhängige Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation gegründet wurde. Wir haben mit ihr zu der innocent Petition gesprochen:

Liebe Barbara, denkst du, dass es etwas bewirkt, wenn sich ein Konzern wie Innocent mit einer Petition für eine neue Einwegpfand-Regelung einsetzt?
Die Kampagne von Innocent ist vor allem eins: eine Marketingaktion, um den Einsatz von Einwegplastikflaschen zu legitimieren. Grundsätzlich fordert die DUH ebenfalls schon lange eine Ausweitung des Einwegpfands auf Säfte und Nektare. Die Rücknahme dieser Flaschen über Pfandautomaten ist heutzutage technisch problemlos möglich und in anderen Ländern wie Dänemark sind Säfte und Nektare bereits pfandpflichtig. Der Prozess ist in Deutschland aber schon längst angestoßen: Die Bundesländer haben sich im März in einem Bundesratsbeschluss einstimmig für eine Ausweitung der Pfandpflicht ausgesprochen. Das Pfand auf Säfte und Nektare wird unweigerlich kommen – dafür brauchen wir keine Petition von Innocent.

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Ist die Kampagne für dich glaubwürdig? Handelt es sich um Greenwashing?
Obwohl eine Ausweitung der Pfandpflicht ohne Frage sinnvoll ist, gibt es keinen Grund, Smoothies nicht gleich in Mehrweg abzufüllen. Die ökologischen Vorteile von Mehrwegflaschen werden durch eine Vielzahl von Ökobilanzen belegt. Innocent will sich aber scheinbar vor der wirklich umweltfreundlichen Lösung drücken. Mit der Petition versucht das Unternehmen auf ziemlich durchschaubare Weise, sich durch die positive Darstellung von Einwegplastikflaschen ein grünes Image zu verschaffen. Man kann hier durchaus von Greenwashing sprechen.

Coca-Cola besitzt mittlerweile über 90% der Unternehmensanteile von Innocent. Der Großkonzern ist laut Greenpeace einer der größten Plastikmüll-Verursacher der Welt. Außerdem ist Coca-Cola in der Vergangenheit nicht als großer Verfechter von Mehrweg-Pfandsystemen in Erscheinung getreten, sondern eher im Gegenteil. Warum sträubt sich Coca-Cola so gegen Mehrweg?
Große Unternehmen wie Coca-Cola drücken sich seit Jahrzehnten davor, Verantwortung für die durch sie verursachte Umweltverschmutzung zu übernehmen und endlich auf ein wirklich nachhaltiges Produkt- und Verpackungsdesign zu setzen. Lieber werden mit fadenscheinigen Umweltversprechen, gezielten Falschinformationen und vermeintlich grünen Showprodukten Verbraucher:innen verwirrt und politische Maßnahmen blockiert.
Die Politik darf die Unternehmen nicht länger damit durchkommen lassen. Die im deutschen Verpackungsgesetz festgelegte Mehrwegquote von 70 % muss endlich von jedem einzelnen Unternehmen in der Praxis umgesetzt werden. Die Quote ist in den letzten Jahren leider immer weiter abgesunken. Wir brauchen deshalb dringend weitergehende Mehrweg-Schutzmaßnahmen, wie eine Lenkungsabgabe von 20 Cent auf Einwegflaschen und Dosen zusätzlich zum Pfand.
Warum Coca-Cola sich trotz der vielen guten Argumente gegen ein Mehrwegsystem sträubt, ist für uns vollkommen unverständlich. Insbesondere weil große Unternehmen ebenfalls eine gesellschaftliche Verantwortung tragen.

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Wir haben gehört, dass die neue Einweg-Pfandregel dem Bundesrat bereits vorliegt und auch unabhängig von der Innocent PETition eingeführt wird. Kannst du uns mehr dazu erzählen? Was sagst du zu diesem Zitat von Innocent?  »Schaffen wir es ab 1. Oktober innerhalb von 30 Tagen über pfandfüralle.org 50.000 Unterschriften für die PETition über die offizielle Petitionswebsite des deutschen Bundestages zu sammeln, landet sie im Bundestag und kann somit den Anstoß für eine maßgebliche Veränderung im Verpackungsgesetz geben.«
Der Bundesrat hat in einem Beschluss vom 13.3.2020 die Bundesregierung zur Ausweitung der Pfandpflicht aufgefordert. Die Pfandpflicht für Säfte und Nektare wird kommen – ob mit oder ohne die Petition von Innocent. Der Smoothie-Hersteller versucht hier offensichtlich, für sein grünes Image einen Prozess zu kapern, der auch so schon längst ins Rollen gekommen ist. Es ist ein ziemlich plumper Versuch, die sinnlose Neuproduktion von Unmengen an Einwegplastikflaschen zu legitimieren, wo auch Mehrweg möglich wäre.



Es ist nicht verboten, selbständig auf Mehrweg umzustellen. Warum macht Innocent es nicht einfach? Innocent hat uns diese Antwort darauf gegeben: »Zu deiner Frage können wir dir sagen das es so ist, dass Innocent bewusst keine Mehrwegflaschen einführen möchte. Die Entscheidung wird durch eine Ökobilanz begründet.«
Mich würde interessieren, auf welche Ökobilanz sich Innocent hier bezieht. Alle einschlägigen Ökobilanzen belegen die Umweltvorteile von Mehrwegflaschen gegenüber Einweggetränkeverpackungen. Studien, die dies in Zweifel ziehen, sind typischerweise von der Einweglobby finanziert und treffen für Mehrweg falsche Grundannahmen. Wenn Innocent seine Smoothie-Verpackungen bepfanden will, warum dann nicht gleich auf Mehrweg setzen?

Was hat denn deiner Meinung nach die beste Ökobilanz in Sachen Getränkenverpackungen?
Getränke in Mehrwegflaschen leisten einen signifikanten Beitrag zum Umwelt-, Klima und Ressourcenschutz. Durch ihre häufige Wiederbefüllung werden Abfälle vermieden, Ressourcen sinnvoll genutzt, regionale Produkte gestützt und nachhaltige Wirtschaftskreisläufe gefördert. Einweg-Plastikflaschen und Getränkedosen weisen im Vergleich zu Mehrwegflaschen aus Glas und PET deutlich schlechtere Ökobilanzergebnisse auf.

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Was sagst du zu diesem Zitat von Innocent?
 »Bei der PETition, geht es darum, dass Einwegflaschen über das Pfandsystem recycelt werden sollen. Das ist aktuell leider noch nicht möglich, weshalb die PETition nun ins Leben gerufen wurde. Für Innocent als Marke, die Europaweit ihre Produkte auf dem Markt haben, wäre es aufgrund des Transportaufkommens ökologisch gesehen nicht sinnvoll auf Mehrwegflaschen umzuschalten. Gleichzeitig hat sich technologisch einiges getan: und zwar sind die Recyclingprozesse für PET-Einwegflaschen heute viel effizienter und auch die Logistikkette ist deutlich besser.«
Aus Umweltgründen ist es grundsätzlich nicht vertretbar, Getränke über weite Distanzen bis nach Deutschland zu transportieren oder auch Getränke aus Deutschland europaweit zu vermarkten. Lange Transportwege – gleich ob für Einweg oder Mehrweg – sollten generell vermieden werden. Es sollten regionale Wirtschaftskreisläufe präferiert werden, in denen Mehrwegflaschen über kurze Transportwege distribuiert und häufig wiederbefüllt werden.
Im Übrigen gab es auch im Mehrwegbereich entscheidende technologische Fortschritte. Moderne Waschanlagen benötigen nur noch 150 Milliliter Wasser zur Reinigung einer Mehrwegflasche. Zudem wird das Prozesswasser in vielen Abfüllanlagen aufbereitet und im Kreislauf gefahren. Die Waschtemperaturen konnten gesenkt, der Laugeneinsatz verringert, die Nutzung nachhaltiger Energie erhöht und durch Digitalisierung die Logistik weiter optimiert werden. Diese Optimierungen potenzieren sich, da sie bei jedem Mehrwegzyklus erneut umgesetzt werden.

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Thema Rücklauf-Quote: Innocent kommuniziert öffentlich eine Rücklaufquote von 96% von Pfandflaschen. Könnt ihr das mit euren Daten und Erkenntnissen bestätigen?

Die Sammelquote im deutschen Pfandsystem ist erfreulicherweise sehr hoch – sie liegt sogar bei bis zu 98,5 Prozent. In dem Kommentar von Innocent versteckt sich allerdings ein anderer entscheidender Fehler: Die zurückgenommenen Einweg-Pfandflaschen können lediglich »wiederverwertet« – also recycelt – und nicht »wiederverwendet« werden. Die einzelnen Prozessschritte des Flaschenrecyclings sind aufwendig und führen zu Umweltbelastungen: Brikettauflösung, Zerkleinerung, Separation von Verschlüssen und Etiketten, Vorreinigung, Laugen- und Salzsäurebad, Heißwäsche, Trocknung, Extrusion, Nachkondensation. Zudem wird das PET-Material unter Zuführung von Energie mehrmals aufgeschmolzen. Und nur rund 30% des so recycelten PET wird auch wirklich wieder in neuen Flaschen eingesetzt – beim Rest können wir von einem Downcycling ausgehen.

 

Danke, liebe Barbara, für das tolle Interview, deine Expertise und deine Hilfe, gemeinsam mit uns aufzuklären.

 

Bis zum 11. Oktober 2020 betrieb Innocent einen extra angelegten Pop-Up Store in Berlin. Anzeigen in auflagenstarken Magazinen wurden gebucht und Influencer aktiviert. Unserer Meinung nach wurde Unmengen an Budget in die Hand genommen, um die Petitionsblase so groß wie möglich aufzupusten. Dieser Artikel von Spiegel Online zum Thema könnte euch auch noch interessieren.

 

Fotos: PR

 

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